Bei der Umstellung der Energieversorgung von fossilen auf „erneuerbare“ Energieträger kommt der Zwischenspeicherung von Energie eine entscheidende Bedeutung zu. Volatile Energieträger wie Solar- und Windenergie werden in Abhängigkeit der Tageszeit und des Wetters gewonnen, sodass die Energiegewinnung starken Schwankungen unterliegt und gleichzeitig begrenzt vorhersagbar ist. Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt von Spitzenwerten verfügbarer Energie (z. B. Sommernachmittag bei Wind und Sonnenschein) nur bedingt mit den Zeiten des größten Energiebedarfs (z. B. Winterabend mit niedrigen Temperaturen) übereinstimmt.
Es gilt daher, neue und vor allem sichere Lösungen für eine zuverlässige Zwischenspeicherung zu implementieren. Hierdurch sind Elektroenergiespeicher auf Basis von Lithium-Ionen-Technologien und deren Sicherheit in den Fokus gerückt. Neben den Bemühungen der Industrie, mögliche Schwachstellen der Technologie zu identifizieren und geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln, existieren Forschungsverbünde, um Gefahrenpotenziale zu identifizieren, deren Wirksamwerden zu verhindern sowie mögliche schadhafte Auswirkungen zu begrenzen. Einen Beitrag hierzu leisten die Projekte „SEE-2L – Sicherheit elektrochemischer Energiespeicher in Second Life Anwendungen“ und „SEKUR – Sichere Energiespeicherkonzepte im urbanen Raum“, die nachfolgend vorgestellt werden.
HERAUSFORDERUNG
Energieumwandlung und Zwischenspeicherung
Um Energie für Verbraucher (z. B. Maschinen, Lichtquellen) nutzbar zu machen, muss sie mehrfach umgewandelt werden. So wird beispielsweise mit Hilfe von Windkraftanlagen zunächst Bewegungsenergie in elektrische Energie transformiert. Wird die elektrische Energie nicht direkt vom Verbraucher benötigt, muss eine weitere Umwandlung erfolgen, um die Energie dem Verbraucher zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung stellen zu können.
Eine bewährte Lösung zur Zwischenspeicherung sind beispielsweise Pumpspeicherkraftwerke. Hier wird Wasser auf eine höher gelegene Ebene transportiert und damit eine Zwischenspeicherung in Form von potenzieller Energie angewendet. Mit der Energiewende hat die Zwischenspeicherung in Form von „chemischer Energie“ bzw. Potenzialen zugenommen. Hierzu zählen Elektroenergiespeicher auf Basis von Lithium-Ionen-Batterien (LIB). Durch Zuführung von elektrischer Energie wird innerhalb von Akkumulatoren ein Spannungsgefälle erzeugt und weitestgehend dauerhaft erhalten, sodass der Abbau und damit die Nutzung erst auf Anforderung des Verbrauchers erfolgen kann.
Zwischenspeichersysteme auf Basis von LIB bieten den Vorteil, dass sie skalierbar sind. So können sie sowohl im industriellen Maßstab (z. B. Batteriegroßspeicher) als auch im Heimbereich (z. B. in Kombination mit einer Photovoltaik-Anlage) genutzt werden. Große Verbreitung finden LIB bereits im E-Mobility-Bereich, aber auch in Heimelektronik (Handys, Laptops) und Elektrowerkzeugen.
Während die Sicherheit der kleinformatigen LIB im alltäglichen Gebrauch üblicherweise akzeptiert ist, wird im größer skalierten Bereich Bedarf skizziert. Hier setzen die Forschungsprojekte SEE-2L (FKZ: 13N15492 bis 13N15494, Laufzeit 01/21 – 04/23) und SEKUR (FKZ: 13N16944, Laufzeit 04/24 – 03/26) an, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung fördert bzw. gefördert hat. Während SEE-2L den Fokus bei größeren Anlagen und der Sicherheit von Lithium-Ionen-Batterien im Second Life setzt, steht bei SEKUR die Sicherheit von Heimspeicheranlagen im Mittelpunkt. In beiden Projekten arbeitet die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V. (vfdb) im Verbund mit weiteren Partnern zusammen. Dazu zählen die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), die Otto-von-Guericke- Universität Magdeburg (OVGU), das Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie der Feuerwehr Dortmund (IFR Dortmund) und das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT).
Großversuchsstand zum Test von Lithium-Ionen-Batterien
Um Aufschluss über die Sicherheit und das Reaktionsverhalten von LIB zu erhalten, wurden zahlreiche Versuche durchgeführt und Ergebnisse publiziert. Hierbei wirkt sich nachteilig aus, dass Versuche oftmals nur kleinskalig auf Zellebene erfolgen, da die Kapazitäten für Großversuche begrenzt sind. Die Übertragbarkeit auf Modul- bzw. Batterieebene sowie den konkreten Anwendungsfall sind jedoch nur eingeschränkt durchführbar. Ebenso unterliegen die Ergebnisse aus den einzelnen Untersuchungen aufgrund unterschiedlicher Versuchsbedingungen großen Schwankungen. In einem ersten Schritt wurde daher eine vergleichende Studie, deren Schwerpunkt auf Wärmemengen, -freisetzungsraten und gebildeten Gasen bei der Überbeanspruchung von Lithium- Ionen-Batterien lag, erarbeitet. [1]
Im Projekt SEE-2L wurden weiterhin nicht nur Versuche durchgeführt und deren Ergebnisse der Fachöffentlichkeit zur Verfügung gestellt. [2] [3] [4] Darüber hinaus wurde ein Großversuchsstand entwickelt und aufgebaut, der es langfristig erlaubt, (neue) Batterien bzw. Entwicklungen in der Batterietechnologie (z. B. neue Materialien, neue integrierte Sicherheitsmechanismen) auf ihre Sicherheit hin zu testen. Der Versuchsstand umfasst zwei ISO- 20-Fuß-Container und ist in Bild 1 dargestellt. Die umfangreiche Messtechnik fasst Bild 2 zusammen.


Nachdem das Projekt SEE-2L im Jahr 2023 erfolgreich beendet wurde, steht der Versuchsstand auch für zukünftige experimentelle Untersuchungen und Folgeprojekte zur Verfügung.
Verkleinerter Versuchsstand für Schulungszwecke
Um die Erkenntnisse nicht nur in Form von Veröffentlichungen bereitzustellen, wurde ein Schulungskonzept zur Sicherheit von LIB entwickelt. Durch seinen modularen Aufbau kann es zielgruppenoffen adaptiert werden und ist sowohl inhaltlich als auch zeitlich flexibel. Es umfasst u. a. die technischen und chemischen Grundlagen von Lithium-Ionen-Batterien und typische Anwendungsgebiete der Technologie. Für eine sachgerechte Einschätzung wird zudem der Risikobegriff thematisiert. Mit dem Schwerpunkt der Gefahrenabwehr werden Informationsquellen vor und während des Einsatzes aufgezeigt. In einer gemeinsamen Übung können Handlungsstrategien für Einsätze bei stationären Speicheranlagen diskutiert werden. Alleinstellungsmerkmal des Schulungskonzepts ist ein verkleinerter, mobiler Versuchsstand (Bild 3), in dem das thermische Durchgehen von LIB praktisch veranschaulicht werden kann.

Der Versuchsstand ist dem oben beschriebenen Großversuchsstand nachempfunden. Er bildet wesentliche Aspekte zur anschaulichen Darstellung einer durchgehenden Batterie ab und wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut der Feuerwehr Nordrhein- Westfalen (IdF NRW) geschaffen.
Sichere Gefahrenabwehr bei Heimspeicheranlagen
Das Projekt SEKUR führt den Schulungs- und Transformationsgedanken des Projekts SEE-2L fort und erweitert den Zielgruppenkreis neben der Gefahrenabwehr um die Bevölkerung. Mit der zunehmenden Verbreitung von Heimspeicheranlagen werden u. U. zusätzliche Brandlasten in Wohngebäude eingebracht, die im Brandfall besonders heftig reagieren können. Dabei muss der Heimspeicher nicht die Brandursache darstellen, sondern kann durch einen Umgebungsbrand Bestandteil des Brandes werden und dessen Ausmaß erhöhen. Hierzu tragen fehlende bauliche Abgrenzungen bei. Bei fehlender Kenntnis über das Vorhandensein eines Speichers können zudem während der Brandbekämpfung resultierende plötzliche Änderungen des Brandverlaufs zu zusätzlichen Gefahren für Einsatzkräfte führen. Dies verdeutlicht, dass neben technischen Lösungen die richtige Aufstellung und eine effektive Kommunikation im Gefahrenfall von Belang sind. Da Heimspeicheranlagen in der Regel von Privatpersonen betrieben werden und derzeit keine rechtlich bindenden Vorgaben existieren, kommt vor allem der Kommunikation und Information der Bevölkerung Bedeutung zu.
AUSBLICK
Mit der Errichtung des Großversuchsstands, der Durchführung von Versuchen sowie der Entwicklung anschaulichen Schulungsmaterials wurden im Rahmen der zivilen Sicherheitsforschung neue Möglichkeiten zum Testen von LIB sowie zur Information über die Sicherheit elektrochemischer Energiespeicher geschaffen. Neben Schulungsangeboten für die Gefahrenabwehr bringt die zunehmende Anzahl an Heimspeichern die Herausforderung mit, die Bevölkerung für die sichere Aufstellung und den Betrieb der Anlagen zu sensibilisieren. Hier setzt das Projekt SEKUR an, das neben Einsatzkräften den Informationsbedarf der Bevölkerung adressiert. Dabei wird auch ein gesellschaftlicher Aspekt der Sicherheitsforschung thematisiert: Die Festlegung und Akzeptanz eines gewissen Restrisikos können nur im gesellschaftlichen Kontext erfolgen. Hierfür bilden demokratische Diskussionen und Entscheidungen sowie deren Umsetzung mit ingenieurtechnischem Sachverstand eine entscheidende Grundlage.
Bei Anfragen hinsichtlich der Versuche im Groß- und Realmaßstab können Sie Dr.-Ing. Rico Tschirschwitz kontaktieren. Anfragen zur Schulung richten Sie bitte an Dr.-Ing. Sarah-K. Hahn. Für das Projekt SEKUR kontaktieren Sie gern Pascal Schmitz.
Dr.-Ing. Sarah-K. Hahn, Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V. (vfdb), Forschungskoordination / stellv. Generalsekretärin, Münster
Dr.-Ing. Rico Tschirschwitz, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM)
Fachbereich 2.1 „Sicherheit von Energieträgern“, Berlin
Pascal Schmitz M. Sc., Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V. (vfdb), Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Münster
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Krause, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Apparate- und Umwelttechnik, Magdeburg
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[ 1 ] Rappsilber, T.; Yusfi, N.; Krüger, S.; Hahn, S.-K.; Fellinger, T. P.; Krug von Nidda, J.; Tschirschwitz, R.: Meta-analysis of heat release and smoke gas emission during thermal runaway of lithium-ion batteries, Journal of Energy Storage, Vol. 60, 2023, https://doi.org/10.1016/j.est.2022.106579
[2] Tschirschwitz, R.; Bernardy, C.; Wagner, P.; Rappsilber, T.; Liebner, C.; Hahn, S.-K.; Krause, U.: Harmful effects of lithium-ion battery thermal runaway: scale-up tests from cell to second-life modules, RSC Advances, Issue 30, 2023, https://doi.org/10.1039/D3RA02881J
[3] Tschirschwitz, R.; Hahn, S.-K.; Krause, U.: BMBF-Vorhaben SEE-2L – Auswirkungen des thermischen Durchgehens von Second-Life-Lithium-Ionen-Batterien auf Modulebene, vfdb Zeitschrift für Forschung, Technik und Management im Brandschutz, Heft 3 (2024), S. 111–122
[4] Hahn, S.-K.; Saupe, A.; Tschirschwitz, R.; Bernardy, C.; Janßen, M.; Amano, K.; Krause, U.: Sicherheit elektrochemischer Energiespeicher – Ergebnisse aus dem Projekt SEE-2L, 70. Jahresfachtagung der Vereinigung zur Förderung des deutschen Brandschutzes vfdb e.V., Magdeburg, 2024