
20 Jahre PräventionsTisch Münster
In Deutschland erleiden jedes Jahr rund 250.000 Menschen ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT), darunter mehr als 70.000 Kinder und Jugendliche. Obwohl etwa 90 % der Betroffenen nur ein leichtes SHT erleiden, können selbst diese vermeintlich harmlosen Fälle unsichtbare Spätfolgen nach sich ziehen. Die Kinderneurologie-Hilfe Münster e.V. engagiert sich seit vier Jahrzehnten unermüdlich für Kinder, die durch Kopfverletzungen eine Hirnschädigung erfahren haben. Um solche Verletzungen zu verhindern, wurde vor 20 Jahren der PräventionsTisch Münster gegründet. Die Provinzial unterstützt diese interdisziplinäre Initiative seit der ersten Stunde als verlässlicher Partner. Das Jubiläum gibt Anlass zu Rückblick und Ausblick.
Präventionsarbeit im Fokus
Als im Jahr 2005 der PräventionsTisch Münster ins Leben gerufen wurde, waren sich die Teilnehmer des ersten Arbeitstreffens einig: Vorbeugen ist besser als heilen. Viele schwere Kopfverletzungen könnten vermieden werden, wenn der Kopf ausreichend geschützt ist – beispielsweise durch das Tragen eines Helms. Daraus entstand die Idee, Kinder und Jugendliche verstärkt für das Tragen von Fahrradhelmen und gut sichtbarer Kleidung bei Dunkelheit zu sensibilisieren.
Vor zwanzig Jahren waren Fahrradhelme zwar bereits bekannt, doch das Bewusstsein für deren Schutzwirkung und die Bereitschaft, einen Helm zu tragen, waren noch sehr gering. Helme galten als uncool – und je älter die Kinder wurden, desto mehr schwand die Akzeptanz.
Für die Initiatoren des PräventionsTisch Münster war dies eine besondere Herausforderung. Das Ziel war klar: Die Zahl der Unfälle zu senken und die Motivation zum Helmtragen zu steigern.
Neben der Provinzial unterstützten auch die Verkehrswacht, die Polizei, die DMI, die Stadt Münster und viele weitere starke Partner das Projekt. Besonders gefreut hat sich der PräventionsTisch über die fachliche Unterstützung aus der Medizin: Professor Horst Rieger, Chefarzt der Unfallchirurgie der Alexianer, sicherte sofort seine Mitarbeit zu. Seine täglichen Erfahrungen bei der Behandlung von Unfallfolgen im Operationssaal veranlassten ihn zu einem eindringlichen Plädoyer für Schutzkleidung, das er insbesondere jungen Erwachsenen mit großer fachlicher Expertise vermittelte.
Kopfverletzungen bei Kindern ernst nehmen
Das Gehirn von Kindern und Jugendlichen befindet sich in einem hochdynamischen Entwicklungsprozess. Bereits vor der Geburt beginnt ein komplexer Reifungsprozess, der sich bis weit über die Pubertät hinaus fortsetzt. Erst mit etwa 25 Jahren ist das Gehirn vollständig ausgereift. Während dieser Zeit entstehen neue Verknüpfungen, während überflüssige abgebaut werden – ein fein abgestimmtes Zusammenspiel, das für die Entwicklung von Motorik, Sprache, sozialem Verhalten und emotionaler Steuerung entscheidend ist. Verletzungen in dieser Phase können nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Auswirkungen auf Lernen und Verhalten haben. Während Erwachsene bereits Gelerntes „wiederherstellen“ müssen, stehen Kinder und Jugendliche vor der Herausforderung, viele Fähigkeiten erst noch zu entwickeln – eine erhebliche Schwierigkeit.
Ein Unfall kann alles verändern – ein Fallbeispiel aus der Praxis
Dienstag, 07:40 Uhr, ein gewöhnlicher Frühlingsmorgen. Die zehnjährige Lisa fährt wie jeden Tag mit dem Fahrrad zur Schule. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und Lisa tritt erwartungsvoll in die Pedale. Ein besonderer Tag steht bevor: die Generalprobe für das lang geübte Theaterstück, das am Wochenende vor der ganzen Schule und vielen Eltern beim Frühlingsfest aufgeführt wird. Lisa kennt den Weg in- und auswendig, sie fährt ihn seit zwei Jahren. An der Kreuzung zur Hauptstraße hält sie kurz an, sieht nach links und rechts – so, wie es ihre Eltern ihr beigebracht haben. Alles scheint frei zu sein. Nur noch ein kleines Stück bis zur Schule …
Ein lautes Quietschen, ein dumpfer Aufprall – und dann wird alles um sie herum schwarz. Das Letzte, was ihr durch den Kopf geht: „Ich darf die Probe nicht verpassen.“
Und plötzlich steht alles Kopf
Die Generalprobe findet ohne Lisa statt. Als sie im Krankenhaus aufwacht, ist nichts mehr wie zuvor. Lisa hat eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung erlitten. Die einfachsten Dinge, die ihr früher so leicht von der Hand gingen, stellen nun große Herausforderungen dar: Sprechen, lesen, sich konzentrieren oder wieder die Hauptrolle im Theaterstück übernehmen – all das erscheint unerreichbar. Lisas Geschichte zeigt, wie schnell ein Unfall alles verändern kann, selbst im Rahmen alltäglicher Routinen. Täglich verunglücken zahlreiche Kinder und Jugendliche, oft mit gravierenden Folgen für ihre Gesundheit und Entwicklung. Leider ist diese Geschichte kein Einzelfall – sie unterstreicht, wie wichtig die Aufklärung zu Schädel-Hirn-Verletzungen und deren möglichen Folgen ist.

Die Ziele der Partnerschaft:
• Sensibilisierung für das Thema Schädel-Hirn-Verletzungen bei Kindern infolge von Verkehrsunfällen sowie Information über wirksame Schutzmaßnahmen.
• Durchführung von Aktionstagen an Schulen und Organisation weiterer öffentlichkeitswirksamer Veranstaltungen, um das Bewusstsein für die Prävention zu stärken.
• Gemeinsame Entwicklung maßgeschneiderter Präventionsstrategien auf Basis der praktischen Erfahrung und Fachkenntnisse beider Partner.
AUSBLICK UND FAZIT
Als regionaler Versicherer mit öffentlichem Auftrag liegt der Provinzial die Prävention von Schäden – insbesondere bei den schwächsten Verkehrsteilnehmern – besonders am Herzen. Die Förderung von Aktionstagen ermöglicht – gemeinsam mit Schulen und weiteren Partnern – einen erfolgreichen Schulterschluss: Kinder und Jugendliche erfahren in Theorie und Praxis, wie sie Unfälle vermeiden können. Darüber hinaus beteiligt sich der PräventionsTisch an Veranstaltungen der Ordnungspartnerschaft „Sicher durch Münster“, wie beispielsweise dem rollenden Verkehrssicherheitstag (Bild 2).
