Neue Perspektiven und neue Schadenpotenziale?
Im Jahr 2022 waren in Deutschland 9.876 Biogasanlagen mit einer arbeitsrelevanten Leistung von rund 3,8 Megawatt installiert. [1] Der Anteil von Biogas an der gesamten Stromerzeugung in Deutschland betrug rund 5,8 %. [2] Bis 2030 sehen die Ausbauziele der Europäischen Union den Ersatz von rund 20 % der russischen Gasimporte durch Biomethan vor, was in etwa eine Verzehnfachung der Biogasproduktion im Jahr 2022 bedeutet.
Dieser Ausbau lässt sich nur mit der konsequenten Vergärung von nachhaltigen Substraten wie Industriereststoffen und Lebensmittelabfällen, Gülle und Mist, Pflanzen und Zweinutzungsfrüchten erreichen. Während der Einsatz von Energiepflanzen stets im Spannungsfeld mit der Lebens- und Futtermittelerzeugung steht, ist bei der Vergärung von Mist und Gülle tierischer Herkunft noch Potenzial vorhanden. Dessen Anteil wird bei knapp 50 % aller nachhaltigen Substrate gesehen.
Die Ausbauziele bieten für viehhaltende Betriebe und die bisherigen Biogasbetreiber neue Perspektiven und Herausforderungen, zumal in den kommenden zehn Jahren nach und nach die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für die laufenden Biogasanlagen endet.
Die Tierhaltung trägt innerhalb der Landwirtschaft im erheblichen Umfang zur Emission von Treibhausgasen bei, da Gülle und Mist auf natürliche Weise klimawirksame Gase wie Methan freisetzen. Bisher werden noch rund zwei Drittel der Mengen unbehandelt ausgebracht. Durch eine gesteigerte Vergärung in Biogasanlagen können die Treibhausgasemissionen deutlich reduziert werden.
Für die zukünftige Entwicklung im Bereich landwirtschaftlicher Biogaserzeugung wird eine weitere Differenzierung hinsichtlich Größe, Konzeption unter reduziertem Einsatz von Energiepflanzen, insbesondere Mais, gesehen. Für größere viehhaltende Betriebe können einzelbetriebliche Lösungen wie der Bau kleinerer Biogasanlagen mit einem Leistungsspektrum um 100 KW, die ausschließlich auf Basis von Mist und Gülle Strom über ein Blockheizkraftwerk produzieren, rentabel sein. Grundsätzlich werden Betreiber von laufenden Biogasanlagen diese nur weiterführen, sofern eine wirtschaftliche Basis außerhalb des EEGs darstellbar ist. Dies wird zukünftig nicht mehr gegeben sein, sofern weiter hohe Mengen an Mais eingesetzt werden, Anlagen nur auf die Verstromung in Grundlast setzen und kein tragfähiges Wärmekonzept vorhanden ist. Seit einiger Zeit und auch mit Blick auf zukünftige Vergütungsmodelle ist ein Trend zum Verkauf von aufbereitetem Biogas anstatt des Stromverkaufs über die Erzeugung mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) zu erkennen. Damit das Biogas in die öffentlichen Gasnetze eingespeist werden kann, ist zuvor eine Aufbereitung auf Erdgasqualität nötig. Dafür steht bereits bewährte Technik über Gasreinigung und Gasverdichter zur Verfügung, die auch schon bei einigen Biogas- bzw. Biomethananlagen in Deutschland im Einsatz ist.
Das Investitionsvolumen für den Bau einer Gasaufbereitungsanlage beträgt immer deutlich über 1 Mio. Euro, sodass diese Technik für die üblichen landwirtschaftlichen Biogasanlagen in einem Leistungsbereich von etwa 250 bis 600 KW allein wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Interessant kann jedoch der Zusammenschluss mehrerer Biogasanlagen einer Region über eine gemeinsame Gaseinspeisung sein. Weitere Faktoren wie die örtliche Nähe zu einem öffentlichen Gaseinspeisungspunkt sind dabei zu berücksichtigen.
1. VERSICHERUNGSTECHNIK
In den vergangenen Jahren wurden viele Schäden an Biogasanlagen von den Versicherern übernommen. Großschäden aus dem Bereich der Feuerversicherung, aber auch Frequenzschäden innerhalb der Maschinenversicherung haben das Geschäft in den Fokus einiger Versicherer gerückt und auch zu Maßnahmen wie Sanierung und Beitragsanpassungen geführt.
Biomethananlagen stellen allein aufgrund der hohen Investitionssummen im Millionenbereich neue Anforderungen an die versicherungstechnische Prüfung und das Underwriting. Biomethananlagen sind modular aufgebaut, bestehend aus großen Substratbehältern und Fermentern, der Gasaufbereitung inklusive Einspeisung und einer Wärmeerzeugung, zum Beispiel durch ein Biogas-BHKW oder anderer Heizquellen wie eine Holzhackschnitzelheizungsanlage. Der Einsatz von störanfälligen und schadenträchtigen BHKW ist gegenüber klassischen Biogasanlagen deutlich verringert oder gar nicht mehr vorgesehen. Demgegenüber ist eine Risikoabschätzung bei Ausfall einzelner zentraler Engpassmaschinen wie zum Beispiel der Gasaufbereitung vorzunehmen, auch mit Blick auf die Verfügbarkeit von Ersatzmaschinen am Markt. Weitere, äußere Faktoren wie Tierseuchen, die bei Ausbruch regional zu erheblichen Einschränkungen bei der Lieferung von Gülle und Mist führen können, sind bei der Risikoabschätzung zu betrachten. Eine zentrale Bedeutung kommt der Schadenverhütung vor Abschluss der Versicherungsverträge zu. Mit Blick auf die hohen Investitionssummen und die gesetzlichen Vorgaben bei Biomethananlagen steigen die Anforderungen an die Anlagenverantwortlichen und Risikoübernehmer gegenüber den bestehenden Biogasanlagen, die häufig noch als Nebenzweig auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Einsatz sind. Aufgrund umfangreicher Schadenerfahrung der vergangenen Jahre können Schwerpunkte ermittelt und so gezielte Maßnahmen zur Prävention erkannt und vereinbart werden.
Ohne technische Anlagensicherheit auch kein dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg – durch präventives Handeln Schäden vermeiden!
2. POTENZIELLE GEFAHREN UND RISIKEN
Der Fokus liegt für die Sach- und Haftpflichtversicherer vor allem auf den Risiken, die häufig zu Schäden führen. Durch den Umgang mit, je nach Mischungsverhältnis, explosivem Biogas stellen die Brand- und Explosionsgefahren ein besonderes Gefahrenpotenzial auf Biogasanlagen dar. Aber nicht nur durch das Biogas selbst, sondern auch die großen elektrischen Energiedichten im Bereich von Generatoren, Schalt- und Steuerschränken sowie der Transformatoren beinhalten eine Brandgefahr. Auch Schäden im Rahmen der Maschinenbruchversicherung, Sturmschäden an Foliendächern und die Freisetzung umweltrelevanter Stoffe sind regelmäßig in der Schadenstatistik wiederzufinden. Betriebsunterbrechungsschäden stellen als nachgelagerte Folgeschäden ebenfalls ein häufig unterschätztes Risiko dar.
Für erfolgreiche Schadenverhütung ist es wichtig, Schadenschwerpunkte zu kennen und deren Ursachen im Idealfall abzustellen. Bei den gesetzlich und / oder behördlich vorgeschriebenen Kontrollen und Sachverständigenprüfungen steht meist der ebenfalls sehr wichtige Personen-, Immissions- und Umweltschutz im Vordergrund. Ebenso sollte auch der Schadenprävention in Bezug auf die Sachwerte durch konsequente Umsetzung von vorgeschriebenen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten sowie einer angemessenen Betriebsorganisation und Eigenkontrolle ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Nur wenn alles gut ineinandergreift, wird ein langfristig störungsarmer und betriebswirtschaftlich erfolgreicher Anlagenbetrieb erreicht werden können.
3. RECHTLICHE VORGABEN
Die für den Betrieb einer Biogasanlage anzuwendenden Gesetze und technischen Regelwerke sind umfangreich und stellen viele Anlagenbetreiber vor große Herausforderungen. Auf die Summe der Vorschriften kann im Rahmen dieses Artikels nicht umfänglich eingegangen werden. Der Anlagenbetreiber kann sich der unternehmerischen Verantwortung und den rechtlichen Vorgaben jedoch nicht entziehen. Er muss sich ihnen stellen, aber nicht zwangsläufig alles selbst machen. Der Gesetzgeber verlangt für viele Arbeiten aus gutem Grund qualifiziertes Personal. Das Hinzuziehen bzw. Beauftragen von Fachfirmen und Dienstleistern ist oft sinnvoller, als sich selbst mit Dingen zu überfordern, die nicht zur täglichen Routine gehören. Auch betriebswirtschaftlich ist es häufig nicht sinnvoll, Arbeiten vorzunehmen, für deren Durchführung die Erfahrung und häufig auch die erforderliche (Sicherheits-)Ausrüstung fehlt. Dies kann schnell zu vermeidbaren Schäden und Gefährdungen für die handelnden Personen führen.
Technische Regelwerke definieren wichtige Sicherheitsstandards
Neben den rechtlichen Anforderungen erfordert der technische Betrieb der Anlage umfangreiches Fachwissen vom Betreiber und von den Mitarbeitenden.
Hervorzuheben sind Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 529 und Technische Regeln für Anlagensicherheit (TRAS) 120. Letztere wird seit ihrer Einführung sehr kontrovers diskutiert. Inzwischen ist hier etwas mehr Sachlichkeit eingekehrt. Die Anwendung ist für Anlagen, die der Störfall-VO unterliegen, unbestritten. Zunehmend wird die TRAS 120 aber auch für Anlagen außerhalb des Störfallrechts herangezogen. Aus risikotechnischer Sicht kann dieser Entwicklung nur beigepflichtet werden. Zum einen führt die Umsetzung der dort beschriebenen technischen Anforderungen zu einer nötigen Erhöhung des Sicherheitsstandards. Zum anderen entfallen bei sofortiger Anwendung Doppelinvestitionen, wenn die Anlage im Zuge von Erweiterungen zukünftig unter das Störfallrecht fällt.
Auch wichtig zu wissen:
Die geforderten wiederkehrenden Prüfungen zu unterschiedlichen rechtlichen Regelungsbereichen werden zwar durch den Gesetz- und Verordnungsgeber und das technische Regelwerk beschrieben, sind aber überwiegend durch den Anlagenbetreiber zu veranlassen. Die zuständigen Behörden prüfen in der Regel lediglich die Konformität in Bezug auf die Genehmigung und den Arbeitsschutz oder führen Umweltinspektionen gemäß § 52 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) durch.
4. MÄNGEL, SCHÄDEN UND DEREN URSACHEN
Einem Schaden geht erfahrungsgemäß immer ein Mangel voraus. Meist führt ein Mangel allein noch nicht zum Schaden. Treten aber zwei oder gar mehr Mängel gleichzeitig auf, erhöht sich die Schadeneintrittswahrscheinlichkeit signifikant. Ein brennbares Gas oder ein brennbarer Stoff wird – auch in Anwesenheit von Sauerstoff (Luft) – erst dann gefährlich, wenn auch noch die erforderliche Zündenergie hinzukommt. So oder ähnlich verhält es sich mit vielen Mängeln.
Mangelhafte elektrische Anlagen – eine der Hauptschadenursachen
Eine schlechte Klemmverbindung in der elektrischen Anlage führt zu kritischen Temperaturerhöhungen, wenn ein hoher Strom über sie fließt. Dies kann im Einzelfall bereits für eine Brandentstehung ausreichen. Befinden sich im Umfeld der Klemmverbindung oder des defekten Bauteils leicht entzündliche Stoffe wie Papier, Kunststofffolien oder andere Verpackungsmaterialien, wird es auf jeden Fall „brenzlig“ (Bild 1). Das technische Regelwerk schreibt eindeutig vor, dass elektrische Schalt- und Steuerschränke frei von jeglicher Brandlast zu halten sind. Die Praxis sieht häufig anders aus. Brandlasten haben aber auch in elektrischen Betriebs- und BHKW-Aufstellräumen nichts verloren.
Defekte Leuchtstoffröhren (Bild 2) können an den Elektroden hohe Temperaturen erreichen, die Leuchten in Brand setzen und dadurch zur Brandausbreitung führen. Das gilt besonders, wenn sich darunter leicht entzündliche Materialien befinden.
Fliegend verlegte Elektroleitungen werden zu Stolperfallen und können durch mechanische Überlastung selbst Schaden nehmen oder die mit ihnen verbundenen Betriebsmittel schädigen (Bild 3).
Unsachgemäß durchgeführte Reparaturen, „Notreparaturen“ mit nicht für den Einsatzzweck geeigneten Ersatzteilen und Betriebsmitteln bergen ebenfalls ein erhöhtes Ausfall- und ggf. auch Brandrisiko. Häufig verbleiben diese Provisorien dort auch noch für lange Zeit (Bild 3.1).
Wiederkehrende Prüfungen verbessern die Sicherheit und erhöhen die Anlagenverfügbarkeit
Die vorgeschriebenen wiederkehrenden Prüfungen der elektrischen Anlagen (gemäß DIN VDE 0105 100 bzw. DGUV Vorschrift 3) werden insbesondere bei kleineren Biogasanlagen, die nicht dem BImSchG oder der Störfall-VO unterliegen, oft nicht oder nicht regelmäßig durchgeführt. Fehler werden dadurch nicht erkannt und können zu einer erhöhten Brandgefahr führen. Dies ist besonders kritisch zu sehen, da generell Mängel in elektrischen Anlagen, nicht nur bei Biogasanlagen, eine der häufigsten Brandursachen darstellen.
Auch Überspannungsschäden an den Anlagensteuerungen und Alarmmeldewegen führen zu vermeidbaren Ausfällen. Dies ist dann meist darauf zurückzuführen, dass die relevanten Anlagenkomponenten nicht durchgängig mit geeigneten Überspannungsschutzgeräten ausgestattet sind.
Während Schaltschränke der Biogasanlagen- Steuerungen netzeingangsseitig überwiegend mit einem geeigneten Schutzgerät ausgestattet sind, ist dies bei den Trafos (Bild 4) nur zu etwa der Hälfte der Fall. Bei den BHKW ist dies von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Die Alarmmeldewege, die meist noch über Kupferleitungen geführt werden, sind nur in der Minderzahl der Fälle ausreichend gegen Überspannungen geschützt. Unkritisch ist dies, wenn der Meldeweg direkt über das Mobilfunknetz (GSM-Modem) oder eine Glasfaseranbindung erfolgt.
Für die sichere Alarmweiterleitung ist auch eine durchgängig netzunabhängige Spannungsversorgung der gesamten Alarmkette nötig, damit die Alarmweiterleitung auch im Falle des Ausfalls der Netzstromversorgung gesichert ist.
Sauberkeit mindert Brandentstehung und -ausbreitung
Mit Staub und organischem Material belastete Zuluft führt bei fehlender Raumluftfilterung zur Verschmutzung des gesamten BHKW-Aufstellraums. Das hat verstärkten Verschleiß zahlreicher Komponenten zur Folge. Hervorzuheben ist hier der Generator, der die belastete Zuluft über die Lüftungsgitter (Bild 5) einsaugt.
Die Schmutzfracht setzt sich dann an den Wicklungen fest. Die Folge sind vorzeitige Generatorausfälle, zum Beispiel durch Wicklungsschluss. Verstärkte Staubablagerungen auf elektrischen und heißen Anlagenteilen (Bild 6), oft in Verbindung mit Feuchtigkeit oder austretenden Betriebsmitteln, können zu ebenfalls kritischen Verschmutzungen und einer erhöhten Brandlast führen.
Sauberkeit ist ein wesentlicher Mosaikstein für einen störungsarmen Anlagenbetrieb.
Sicherheitstechnik muss ständig funktionsbereit sein
Stets funktionsfähige Sicherheitseinrichtungen, insbesondere Gaswarnanlagen in BHKW-Aufstellräumen, sollten für jeden Betreiber selbstverständlich sein. Um dies gewährleisten zu können, müssen diese mindestens entsprechend den gesetzlich vorgeschriebenen Prüfintervallen durch befähigte Personen / Fachfirmen geprüft werden. Sie sind aber auch in die betriebliche Eigenüberwachung mit aufzunehmen und möglichst regelmäßig vom Betreiber auf Funktions- und Betriebsbereitschaft zu kontrollieren (Bilder 7 und 7.1).
Motoren brauchen mehr als Biogas
Motorschäden durch schlechte Ölqualität sind bis heute wiederkehrend ursächlich für Maschinenbruchschäden. Überschrittene Ölwechselintervalle, aber vor allem nicht oder nicht regelmäßig durchgeführte Ölanalysen sowie Nichtbeachtung kritischer Parameter in den Analyseauswertungen führen immer wieder zu vermeidbaren Motorschäden (Bild 8 und 8.1). Ebenso kommt es durch fehlendes Wissen über die relevanten Parameter der Kühlkreisläufe des Motors sowie der erforderlichen Eigenschaften des Kühlmittels selbst zu Schäden. Kühlmittel sind, ebenso wie das Motoröl, auf betriebsrelevante Parameter zu kontrollieren und müssen bei Auffälligkeiten, zum Beispiel Abweichung des pH-Wertes, ggf. auch vor den Regelwechselintervallen erneuert werden. Unzureichender Kühlmitteldruck kann zu Kavitationsschäden führen, zu hohe Temperaturen im Kühlmittelkreislauf zu vorzeitigem Zersetzen der Kühlmittelinhaltsstoffe. Auch die Nebenaggregate des Motors (Kühl- und Ölpumpen, Turbolader, Notkühler, Wärmetauscher u. a.) bedürfen regelmäßiger Funktionskontrolle und Wartung. Kontrolle und Dokumentation wichtiger Betriebsparameter sind im Rahmen der Eigenüberwachung hilfreich, um Abweichungen von Sollwerten zu erkennen und rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, bevor es zu einem Ausfall bzw. Schaden kommt.
Ein „Blindflug“ in diesen Bereichen führt früher oder später sehr wahrscheinlich zu Ausfällen und ungeplanten Anlagenstillständen. Wenn unzureichende Wartung und Instandsetzung schadenursächlich sind, kann dies neben dem Stress durch den Ausfall auch bei der Entschädigungsleistung zu Einbußen führen.
Zu hohe Umgebungstemperaturen für Motor und Generator, überhitzte, da unzureichend belüftete bzw. gekühlte Schaltschränke können ebenso zu vorzeitigem Bauteilversagen und Anlagenausfall führen.
Fehlender oder unzureichender Anfahrschutz (Bild 9) kann zu Schäden an Behältern, vor allem aber an gas- oder substratführenden Rohrleitungen führen. Besondere Beachtung ist den Substratentnahmestellen zu widmen. Der Anfahrschutz kann kein 40-t-Gespann in voller Fahrt aufhalten, aber er sollte so stabil sein, dass die sensiblen Anlagenbereiche ausreichend gegen Rangierfehler geschützt werden.
Membran-Gasspeicher stets unter Beobachtung halten
Sturm-, aber auch Elementarschäden durch zum Beispiel Schneedruck ist insbesondere für die mit Foliendächern ausgestatteten Substratbehälter ein weiterer Punkt, der die Aufmerksamkeit des Betreibers erfordert. Das belegen die Schäden der letzten Jahre. Dies betrifft sowohl Tragluftdächer in Doppelmembranausführung als auch einschalige Dachkonstruktionen, unabhängig davon, ob gasdichte Ausführungen oder gasoffene Wetterschutzabdeckungen. Die Flexibilisierung vieler Anlagen führt bei gleichzeitigem Betrieb mehrerer Motoren zu einer großen Gasentnahme in kurzer Zeit. Die schnelle Entleerung des Gasspeichers bewirkt einen Druckabfall, der sich negativ auf die Stabilität der Wetterschutzfolie auswirkt. Ist das Stützluftgebläse nicht ausreichend dimensioniert, wird die Wetterschutzfolie zunehmend instabil und anfällig für Wind- und Schneelasten (Bild 10). Durch leistungsfähige, redundante Stützluftgebläse in Verbindung mit einer integrierten Steuerung über Drucksensoren kann diesem Problem entgegengewirkt werden. Dies sollte auch bei bestehenden Gasspeichersystemen bedacht werden. Spätestens bei der Erneuerung des Gasspeichers, der im Zuge der weiteren Flexibilisierung vielfach auch mit einer Vergrößerung des Gasspeichervolumens (Halbkugel) einhergeht, ist ein Stützluftmanagement vorzusehen.
Die Berücksichtigung sämtlicher zu erwartenden Betriebszustände erhöhen die Chancen auf einen sicheren Betrieb.
Auch die Befestigungssysteme und der Zustand der Membranen selbst sind vom Betreiber wiederkehrend kritisch in Augenschein zu nehmen. Wie bei den meisten anderen Anlagenkomponenten ist auch die Standzeit der Membranen begrenzt. Sich verflüchtigende Weichmacher, UV-Strahlung, „Membranflattern“ bei zu geringem Stützluftdruck in Verbindung mit Windlasten und weitere Einflussfaktoren führen mit der Zeit zu Materialermüdung.
Infomaterial:
Dem 2023 erschienenen Merkblatt DWA-M-377 „Biogas-Membranspeichersysteme über Behältern“ (März 2023) können wertvolle Informationen, unter anderem zur sicherheitstechnischen Prüfung mit dem Ziel der Verlängerung der Gebrauchstauglichkeit der Membranen über eine Standzeit von sechs Jahren hinaus, entnommen werden.
Gärresttrocknungsanlagen sind sensibel zu betrachten
Abschließend noch einige Hinweise zu Gärresttrocknungsanlagen, die ebenfalls zu den auffälligeren Risiken gehören, insbesondere wenn die aufgetretenen Schadenfälle der letzten Jahre in Relation zu der eher geringen Zahl der Anlagen betrachtet werden. Zwar lässt sich aus den bekannten Schadenfällen keine technisch zuordbare Ursachenhäufung erkennen, aber eine Tatsache ist, dass das organische Material ab einem gewissen Trocknungsgrad brennbar ist. Das stellt in Verbindung mit der hohen Staubbelastung, die häufig auch außerhalb der eigentlichen Trocknungskammer zu finden ist, ein erhöhtes Brandrisiko dar. Häufig dringt in Schaltschränke und die darin installierten elektrischen Bauteile Staub ein und lagert sich auf elektrischen Betriebsmitteln (Motoren u. a.) in relevanten Mengen ab (Bild 11). Dies kann durch geminderte Wärmeableitung zu kritischen Betriebszuständen führen. Hier gilt es, das Risiko durch angepasste Reinigungsintervalle so gering wie möglich zu halten.
5. TECHNISCHE UND ORGANISATORISCHE SICHERHEITSMASSNAHMEN
Die in Biogasanlagen zum Einsatz kommenden technischen Sicherheitseinrichtungen sind inzwischen auf einem qualitativ hohen Niveau und mit den erforderlichen Zulassungen versehen. Von Fachfirmen werden im Regelfall für den Anwendungsfall geeignete Komponenten verbaut. Trotzdem sollte sich der Anlagenbetreiber rückversichern, dass die eingesetzten Komponenten für den Anwendungsfall geeignet sind. Im Zweifel sollten sie sich nicht scheuen, einen unabhängigen Sachverständigen einzuschalten. Das ist im Zweifel besser, als einen Personen- oder Sachschaden, der durch Verwendung eines ungeeigneten Bauteils entstehen kann, zu riskieren.
Sicherheitstechnik, die nicht gewartet und geprüft wird, bietet keine Sicherheit
Ausfälle, kritische Situationen und Schäden entstehen nicht zuletzt aufgrund nicht funktionierender technischer Sicherheitseinrichtungen. Sei es die Gaswarnanlage, Über- oder Unterdrucksicherungen, Alarmierungseinrichtungen oder Füllstandsicherungen, um nur einige besonders wichtige zu nennen. Die Sicherheit ist nur dann hinreichend gegeben, wenn diese Bauteile regelmäßig gewartet, instand gehalten und geprüft werden.
Ohne Organisation läuft in kritischen Situationen meist nicht viel
Ein weiteres Feld stellt die organisatorische Sicherheit dar. Auch dieser Punkt kann hier nicht abschließend behandelt werden. Die Anlagenbetreiber werden aber nicht allein gelassen.
Sowohl die Berufsgenossenschaften SVLFG und BG ETEM als auch der Fachverband Biogas e. V. bieten umfangreiche Unterstützung in Form von Checklisten und Arbeitshilfen zu verschiedensten Themenfeldern rund um die Biogasanlage an. Neben Informationen zur Betriebsorganisation und organisatorischen Sicherheit werden auch zu den Themen Brand- und Explosionsschutz, Gefährdungsbeurteilungen, Wartung und Instandhaltung, Prüfungen, Dokumentationen zur Anlagensicherheit, Eigenüberwachung, Trocknungsanlagen und vieles mehr angeboten. Hier kann jeder Interessierte fündig werden und wertvolle Informationen erhalten, vieles davon kostenlos.
6. SCHULUNG UND GEFAHRENBEWUSSTSEIN
Die fachlichen Anforderungen, denen sich Betreiber und Mitarbeiter beim Betrieb einer Biogasanlage stellen müssen, sind umfangreich. Auf jeder Biogasanlage müssen mindestens zwei Personen benannt sein, die die Fachkundeanforderungen nach TRGS 529 erfüllen. Um das erforderliche Wissen zu erlangen, werden von verschiedenen Anbietern Schulungen angeboten. Der größte Anbieter auf diesem Gebiet ist der Schulungsverbund Biogas, über den 15 Bildungseinrichtungen organisiert sind. Durch ausgewählte Mitglieder des Fachbeirats des Schulungsverbundes erfolgen regelmäßig Qualitätskontrollen der unter dem Dach vereinten Bildungseinrichtungen. In den Schulungen werden wesentliche Kenntnisse zu auftretenden Gefahren, Erstellen von Gefährdungsanalysen und erforderliche Grundkenntnisse zu rechtlichen Vorgaben vermittelt. Dazu gehört auch der Bereich der Instandhaltung, da es bei diesen Arbeiten besonders häufig zu Unfällen kommt.
FAZIT
Auf den landwirtschaftlichen Biogasanlagen hat sich die Qualität der technischen Ausstattung wie auch die Qualifikation der dort Tätigen in den letzten Jahren signifikant verbessert. Dies gilt besonders für die Anlagen, deren Personal sich primär auf den Betrieb der Biogasanlage fokussieren kann. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen.
Spätestens mit dem Auslaufen der EEG-Vergütung sind Biogasanlagen, die ausschließlich auf die Verstromung ohne Flexibilisierung und ohne Wärmekonzept setzen, nicht mehr zukunftsfähig. Zukünftig kann durch die politischen Rahmenbedingungen auch die Biomethanaufbereitung ein Weg sein, einen finanziell attraktiven Anlagenbetrieb zu ermöglichen. Neben der Direkteinspeisung in das Erdgasnetz kann auch eine Aufbereitung zu Biokraftstoffen (CNG, LNG) erfolgen. Aber egal welchen konzeptionellen Weg Anlagenbetreiber gehen, ohne ausreichende Aufmerksamkeit für die technische Anlagensicherheit ist auch der wirtschaftliche Erfolg der Anlage auf Dauer nicht sicher.
Durch konsequente Umsetzung von Wartungs- und Instandsetzungsmaßnahmen und präventives Handeln könnte ein erheblicher Teil der auftretenden Schäden vermieden werden. Darüber hinaus wird hierdurch gewährleistet, dass der Versicherer auf Dauer den notwendigen Versicherungsschutz zu risikogerechten und bezahlbaren Beiträgen anbieten kann. Die Betreiber sparen am falschen Ende, wenn sie diese Arbeiten verschieben oder gar ganz ausblenden. Sicherheit ist kein Selbstzweck und Sicherheitstechnik, die nicht regelmäßig gewartet, geprüft und instand gehalten wird, kann ihre Aufgabe nicht erfüllen. Unzureichende Wartung rächt sich langfristig durch ungeplante Ausfälle und Anlagenstillstände, die Einnahmeverluste und ungeplante Mehrarbeit bedeuten. Meist sind die Verluste höher als das vermeintlich Eingesparte.
Dipl.-Ing. Christian Hoth
Risikoingenieur Hauptabteilung Schadenprävention und Risikobewertung im Provinzial Konzern, Münster
Dipl.-Ing. agr. Christoph Richter
Hauptabteilung Agrarwirtschaft im Provinzial Konzern, Münster
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[ 1 ] Fachverband Biogas: https://www.biogas.org/edcom/webfvb.nsf/id/DE_Branchenzahlen/$file/23-09-25_Biogasindustryfigures_2022-2023_english.pdf
[ 2 ] Klimawandel: Klimaschutz in Deutschland – Statistisches Bundesamt (destatis.de)
WEITERE INFORMATIONSQUELLEN
Als weitergehende Informationsquellen empfehlen wir u. a.:
Tätigkeiten bei der Herstellung von Biogas, TRGS 529, https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexteund- Technische-Regeln/Regelwerk/TRGS/TRGS-529. html
Sicherheitstechnische Anforderungen an Biogasanlagen, TRAS 120, https://www.kas-bmu.de/tras-endgueltige-version.html
Biogasanlagen, Publikation zur Schadenverhütung, VdS 3470, https://shop.vds.de/download/vds-3470
Biogas-Membranspeichersysteme über Behältern, DWA-M 377; https://de.dwa.de/de/regelwerk-newsvolltext/merkblatt-dwa-m-377-biogas-membranspeichersysteme-ueber-behaeltern.html
Anlagen für die Aufbereitung und Einspeisung von Biogas in Gasversorgungsnetze, DWA-A 362-1, https://de.dwa.de/de/regelwerk-news-volltext/DVGW_G_265_1.html
Arbeitshilfe A-016, Brandschutz auf Biogasanlagen, Fachverband Biogas, https://www.biogas.org/edcom/webfvb.nsf/id/DE-A-016-Brandschutz-auf-Biogasanlagen/$file/18-10-31_A-016%20Brandschutz%20auf %20Biogasanlagen_neu.pdf
Arbeitshilfe A-021 Leitfaden Sichere Instandhaltung, Fachverband Biogas, https://www.biogas.org/edcom/webfvb.nsf/id/DE-A-021/$file/A-021_Leitfaden%
20Sichere%20Instandhaltung.pdf
Arbeitshilfe A-025 Einteilung von Explosionsschutz-Zonen bei Biogasanlagen, Fachverband Biogas,
https://www.biogas.org/edcom/webfvb.nsf/id/DE-A-025/$file/A-025_Einteilung%20Ex-Zonen-Hinweise%20DGUV%20113-001.pdf
Viele weitere Arbeitshilfen des Fachverbandes Biogas sind für Mitglieder einsehbar.