Beobachtungen aus der Praxis
Seit dem Jahr 2018 kommt es im Sachverständigenbüro des Autors Jürgen Mohrmann zu einer merklich zunehmenden Anzahl von Beauftragungen zu Gebäudeschäden, die in Kausalität zu Extremwetterereignissen stehen.
Vorgestellt werden sollen daher im Folgenden die in Nordwest-Niedersachsen in den Jahren 2018, 2019 und 2022 aufgrund von lang andauernder Hitze und Trockenheit entstandenen Sommerfrostschäden und die im Dezember 2023 aufgrund von lang andauerndem Regen entstandenen Unterflutungsschäden.
01 Sommerfrostschäden
Im Jahr 2018 dauerte der Sommer von Mitte April bis Mitte Oktober und damit genau sechs Monate. [1] Gekennzeichnet war dieser neben durchgehend sehr warmen Temperaturen insbesondere durch eine extreme Trockenheit. Gegenüber dem langjährigen Durchschnitt fielen in den sechs Sommermonaten mit rund 185 mm Niederschlag nur rund 40 % des üblichen sechsmonatigen Wertes im Referenzzeitraum von 1990 bis 2020. [2]
Infolge dieser Trockenperiode kam es in der Region von Nordwest-Niedersachsen mit tendenziell eher feuchten Böden zur teils massiven Austrocknung des Erdreiches. Dadurch zeigten sich ab August 2018 an schon seit Jahrzehnten schadenfreien Gebäuden plötzlich ausgeprägte Schäden in Form von Rissbildungen, Absackungen und Schiefstellungen. Durchgesetzt hat sich für diese Art von Schäden der Begriff der Sommerfrostschäden (Bilder 1 bis 3).



Gut zu erkennen sind diese Schäden üblicherweise auch an den Außenanlagen. Pflasterungen oder Entwässerungsleitungen zeigen häufig im Übergang zu Fixpunkten Absackungen, an Freiflächen konnten verkarstungsähnliche Bodenaufrisse mit Tiefen bis zu 80 cm gemessen werden (Bilder 4 bis 6).



Wie auf dem vergleichenden Bild 7 dargestellt, besteht das Erdreich aus Sandkörnern, aus Luftporen und aus Wasser. Verdunstet dieses Wasser, kommt es zu einer Volumenreduzierung und darüber zu den Absackungen, je nach Gründung des Gebäudes ggf. auch zu Rissbildungen und Schiefstellungen. Alle zuvor genannten Beispielschäden sind innerhalb kurzer Zeit am Ende von ausgeprägten sommerlichen Trockenphasen in Regionen mit eher feuchten Böden wie Moor oder Torf entstanden.

Als versichert gelten diese Schäden über die Gebäudeversicherung üblicherweise nicht. Bereits seit dem Urteil des OLG Koblenz 10 U 1319/10 aus dem Jahr 2011 findet sich in den Musterrichtlinien des GDV der Ausschluss. Es heißt:
„Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch Trockenheit oder Austrocknung.“
Diese Formulierung wurde entsprechend in die Bedingungswerke der einzelnen Gesellschaften übernommen.
Und damit ist auch einer möglichen Diskussion in Richtung eines über die Elementardeckung versicherten Erdfalls ein Riegel vorgeschoben. Ein Erdfall definiert sich als naturbedingte Absenkung des Erdbodens über naturbedingten Hohlräumen – explizit handelt es sich bei dem Gesamtvorgang der austrocknungsbedingten Absackung nicht um einen Erdfall, auch nicht um eine kumulierte, unendlich hohe Anzahl von Mikroabsenkungen in Verbindung mit unendlich kleinen natürlichen Hohlräumen. Gleiches gilt auch für eine Erdsenkung oder einen Erdrutsch.
Vom Autor konnten diverse Sommerfrostschäden in den Spätsommern 2018, 2019 und 2022, insbesondere in den Regionen Wesermarsch, Osterholz / Teufelsmoor, Rhauderfehn und Rheiderland, beobachtet werden.
02 Unterflutungsschäden
Mit dem Begriff der Unterflutungsschäden sind Nässefolgeschäden gemeint, wie sie in Nordwest- Niedersachsen Ende Dezember 2023 bis Anfang Januar 2024 entstanden sind, und zwar resultierend aus einem kontinuierlich andauernden Nieselregen, beginnend Anfang Oktober 2023. Gefühlt hat es zweieinhalb Monate permanent durchgenieselt, ehe es dann ab Mitte Dezember vereinzelnd zu Stark- oder Dauerniederschlägen mit bis zu 35 mm pro Tag kam. [3]
Tatsächlich ist über diesen dreimonatigen Niesel- / Dauerregen mit in Summe 430 mm Niederschlag mehr als doppelt so viel Regen gefallen wie üblich im Vergleichszeitraum des langjährigen Durchschnitts von 1990 – 2020. [4] Bezogen auf das gesamte Jahr 2023 lag der Niederschlag in Niedersachsen, auch durch einen nassen Sommer, mit rund 1.035 mm bei fast 40 % über dem langjährigen Durchschnitt. [5]
Entgegen meist nur lokal begrenzt und in kurzer Zeit auftretenden Sturzregenereignissen mit der Überflutung von Grund und Boden, beispielsweise in der Stadt Münster im Jahr 2014, als in wenigen Stunden rund ein Drittel des Jahresniederschlags gefallen war [6] [7], kam es im Rahmen des latenten Dauerregens, trotz der an vielen Orten ernsthaft drohenden Gefahr, im Wesentlichen nicht zur originären Überflutung von Grund und Boden. Nur in Verden an der Aller, in Lilienthal bei Bremen und in Haren (Ems) sind am Ende die Flüsse in dem Maße über die Ufer getreten, dass es zur Überschwemmung und damit zu Schäden kam, die versicherungstechnisch als Elementarereignis bezeichnet werden.
Im gesamten übrigen Nordwest-Niedersachsen (und damit nicht lokal begrenzt und auch nicht in kurzer Zeit) kam es durch den permanenten Regen in erster Linie zur Komplettsättigung des Erdreiches und damit zu Staudruckwasserverhältnissen an den Gebäuden. Für die Gebäude hat sich darüber der in Nordwest-Niedersachsen üblicherweise bestehende Lastfall gemäß DIN 18533 „Erdfeuchte W1“ auf den Lastfall „drückendes Wasser W2“ erhöht, beispielsweise durch einen gestiegenen Grundwasser- oder Schichtenwasserspiegel, beispielsweise aber auch durch komplett geflutete Füllsandkoffer.
Wie auf Bild 8 als typisch norddeutsche Bauweise dargestellt, wird das nicht tragende Erdreich ausgekoffert und gegen lagenweise verdichteten Füllsand ersetzt. Insbesondere bei natürlicherweise vorhandenen und außerhalb des Gebäudes verbleibenden bindigen Oberböden sind die Füllsandkoffer ab Ende Dezember 2023 regelrecht „abgesoffen“. Die Füllsandkoffer sind vollgelaufen, sodass das Wasser durch die Sperrwirkung des umgebenden bindigen Bodens im Sandkoffer verblieben ist und am Ende auch die Hohlschichten der Klinkervorsatzschale geflutet wurden.

Bei unterkellerten Gebäuden kam es vielfach zum Wassereintritt in den Keller, bei nicht unterkellerten Gebäuden zum Eintritt des Stauwassers auf die Sohlenplatte und damit ins Erdgeschoss. Während die Schäden im Kellergeschoss meist direkt einsehbar sind, beispielsweise durch stehendes Wasser auf der Bodenfläche, aus den Wänden oder Kellerfenstern herauslaufendes Wasser, Nässebildungen an den Wanddurchführungen der Ver- und Entsorgungsleitungen u. a. m., stellt sich der Wassereintritt ins Gebäude bei den nicht unterkellerten Gebäuden zunächst unsichtbar dar.
Entgegen dem Wassereintritt infolge eines Elementarereignisses über die Haustürschwelle oder vergleichbar bei bodentiefen Fensterelementen über die Fensterschwelle passiert dies bei den Unterflutungsschäden unterhalb der Schwellenebene und damit innerhalb des Bodenaufbaus. In erster Linie waren daher die neueren Gebäude betroffen, bei denen die Fußbodenebene innen mit einer Aufbaustärke von gut 20 cm höhengleich zur Pflasterung außen hergestellt ist (Bild 9).

Als mögliche Wassereintrittsstellen in den EG-Bodenaufbau sind in Verbindung mit Abdichtungsmängeln folgende Stellen zu nennen:
• die Unterbauprofile der Außentüren,
• die Unterbauprofile der bodentiefen Fensterelemente,
• die Durchdringungen der Ver- und Entsorgungsleitungen von Gas, Wasser, Abwasser und Strom durch die Wandflächen,
• die Durchdringungen der Ver- und Entsorgungsleitungen durch die Sohlenplatte oder
• der Übergang von der gepflasterten Garage ins Gebäude.
Erkannt werden diese zunächst unsichtbaren Wassereintritte durch Feuchteerscheinungen im unteren Wandbereich, meist auf ganzer Grundfläche des Erdgeschosses und damit vergleichbar zu einem ausgeprägten Leitungswasserschaden (Bilder 10 und 11).


Da üblicherweise für die Ersatzpflicht des Versicherers der Wassereintritt ins Gebäude über die Schwelle und damit als Überflutung erforderlich ist (das Wasser muss also so weit ansteigen, dass es aus dem Erdreich herauskommt, um dann über die Schwelle ins Haus zu laufen), gelten die Schäden der Kategorie „Unterflutung“ im Regelfall als nicht ersatzpflichtig.
Für die Hauseigentümer bestehen damit häufig drei Probleme: Erstens ein nicht selten unerheblicher Sachsubstanzschaden mit Kosten je nach Bauweise von brutto 500 bis über 1.000 €/m2 Wohnfläche zzgl. der Kosten zur Ursachenbehebung. Zweitens die im Zweifel verbleibende Unkenntnis des tatsächlichen Wassereintrittsweges ins Gebäude, sodass daraus resultierend drittens die erforderlichen bzw. möglichen Maßnahmen zur Vermeidung einer Schadenwiederholung handwerklich gar nicht ermittelt bzw. umgesetzt werden können.
Der Autor stellte in vielen Fällen fest, dass die Hohlschicht der Klinkervorsatzschale mit der Perimeterdämmung bis zur Geländeoberkante geflutet war. Im Umkehrschluss bedeuten diese Druckwasserverhältnisse, dass ein kleines Loch in der Außenabdichtung ausreicht, um die Grundfläche des Erdgeschosses komplett zu fluten (Bilder 12 und 13). Entsprechende Löcher lassen sich im Nachgang zur Gebäudeerrichtung häufig nicht mehr finden. So handelt es sich bei der nachträglich vom Elektriker erstellten Bohrung zur stromtechnischen Versorgung des Gartens durch die Außenabdichtung genauso um einen Zufallstreffer wie die nachträglich erstellte Bohrung des Heizungsinstallateurs, um die Versorgungsleitungen der Wärmepumpe zu verlegen.


Inwieweit am Ende für den Fall, dass es zukünftig irgendwann erneut drei Monate am Stück durchregnet und wiederum temporär Druckwasserverhältnisse auf den unterkellerten oder nicht unterkellerten Baukörper entstehen, eine Drainage Abhilfe leisten kann, hängt nicht nur von der kommunalen Entwässerungssatzung ab, sondern auch davon, ob das Drainwasser tatsächlich abgeleitet werden kann oder ob eine Drainleitung nicht erst recht zur Verschärfung des Stauwasserproblems am Gebäude führt. Und wie kann man im Nachgang zur Unterflutung wissen, ob es sich bei einer gefundenen Ursache tatsächlich um die einzige Wassereintrittsstelle ins Gebäude handelte?
Solange also der Grundwasserspiegel deutlich unterhalb des Sockelbereiches erdberührter Wandflächen bleibt oder der vom bindigen Boden umgebene Füllsandkoffer nicht absäuft, stellen Abdichtungsmängel häufig gar kein feuchtetechnisches Problem dar, sodass diese in der Vergangenheit in der Regel auch gar nicht aufgefallen sind. Im Rahmen des Klimawandels mit den stabiler werdenden und länger andauernden Wetterlagen darf jedoch davon ausgegangen werden, dass die in diesem Artikel als Unterflutungsschäden bezeichneten Folgeschäden erneut auftreten werden.
Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang daher, dass in den Versicherungsbedingungen eindeutigere Formulierungen für die Ersatzpflicht gewählt werden, insbesondere dahingehend, dass einfache Pfützenbildungen auf dem Versicherungsgrundstück für die Erfüllung des Begriffes der Überflutung nicht ausreichend sind.
FAZIT
Hitzewellen, Extremwetter und Rekordtemperaturen: Der Klimawandel macht sich immer deutlicher bemerkbar. Auch das Jahr 2024 war wieder ein Jahr voller Rekorde, sodass es global gesehen mit einer Durchschnittstemperatur von 15,1 °C nicht nur das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung war, sondern erstmals sogar die im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgesetzte 1,5-Grad-Grenze überschritten wurde. [8]
Trotz zahlreicher internationaler Abkommen gelingt es der Menschheit nicht, die Treibhausgas-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger und der landwirtschaftlichen Industrie zu reduzieren. Es ist eindeutig zu befürchten, dass sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität von Wetterextremen weiter zunehmen werden – und das nicht nur in weit entfernten, abgelegenen Regionen, sondern auch direkt in unserer Nähe. [9]
Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Jürgen Mohrmann
öbuv SV für die Bewertung von Brand-, Explosions-, Sturm- und Leitungswasserschäden in und an Gebäuden, SV-Büro Mohrmann,
www.sv-mohrmann.de, Oldenburg
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[1] Buch „Zieht euch warm an, es wird heiß“, Sven Plöger, 2020, S. 112
[2] https://www.wetterkontor.de/wetter-rueckblick/monats-und-jahreswerte.asp
[3] https://www.wetterkontor.de/de/wetter/deutschland/extremwerte-karte.asp, erforderlich ist die Datumseingabe
[4] https://www.wetterkontor.de/wetter-vorhersage/deutschland/
[5] Jahresniederschlag in Niedersachsen 2023 https://www.wetterkontor.de/wetter-rueckblick/jahreswerte/niedersachsen?jahr=2023
[6] Die Wetterkatastrophe von Münster, Heimatflimmern, 26.07.2024. Verfügbar bis 18.08.2025. WDR. Von Lothar Schröder
[8] Nordwestzeitung, 11.01.2025, S. 2: „Klimakrise 2024, Ein Jahr voller Rekorde“
[9] Buch „Zieht euch warm an, es wird noch heißer“, Sven Plöger, 2023, S. 220 ff.