Wie DGUV V3 und VdS 2871 zur Schadenprävention beitragen
Elektrischer Strom kann in vielfältiger Weise als Zündquelle für Brände fungieren. Über 30 % der durch Sachversicherer registrierten Brände werden auf Mängel oder Defekte in elektrischen Anlagen zurückgeführt. [1] Eine regelmäßige Prüfung und Instandhaltung elektrischer Anlagen ist daher unerlässlich, um Brände zu verhindern und höchste Sicherheit zu gewährleisten.
Insbesondere für Sachversicherer spielt der präventive Brandschutz dabei eine zentrale Rolle. Der Text bietet einen Überblick über die Zielsetzungen und Methoden der beiden Prüfverfahren und zeigt auf, wie sie dazu beitragen, sowohl Personen- als auch Sachwerte vor elektrischen Gefahren zu schützen.
Neben dem Sachversicherer verlangt eine ganze Reihe weiterer Regelwerke eine regelmäßige Prüfung von elektrischen Anlagen. Mit dabei ist das Energiewirtschaftsgesetz [2], das etwas abstrakt von jedem verlangt, dass Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Werden dabei die Normen des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) eingehalten, kann die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik vermutet werden. Einfach ausgedrückt bedeutet dies: Wer sich an die VDE-Normen hält, ist erst mal auf der sicheren Seite.
Im Gegensatz dazu beschreibt die Unfallverhütungsvorschrift „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV V3) [3] die Pflicht zur regelmäßigen Wiederholungsprüfung für den gewerblichen Bereich sehr präzise.
DGUV V3 habe ich schon einmal gehört, aber was ist die VdS 2871?
Die VdS-Richtline 2871 [4] ist die Prüfgrundlage für die VdS-anerkannten Elektrosachverständigen [5]. Sie beschreibt, wie die Prüfung gemäß der Klausel SK 3602 [6] durchzuführen ist. Die Klausel SK 3602 wiederum ist eine Musterklausel des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Musterklauseln können von den Versicherern übernommen oder in abgewandelter Form in die individuellen Bedingungswerke einfließen. Wurde diese Klausel in den Versicherungsbedingungen vereinbart, muss der Versicherungsnehmer die Prüfung meist im jährlichen Rhythmus durchführen lassen.
KLAUSEL SK 3602 Elektrische Anlagen:
01 Der Versicherungsnehmer hat die elektrischen Anlagen alle __ Monate auf seine Kosten durch einen von [F1] anerkannten Sachverständigen zu prüfen und sich ein Zeugnis darüber ausstellen zu lassen. In dem Zeugnis muss eine Frist gesetzt sein, innerhalb derer Mängel beseitigt und Abweichungen von den anerkannten Regeln der Elektrotechnik, insbesondere von den einschlägigen VDE-Bestimmungen, sowie Abweichungen von den Sicherheitsvorschriften, die dem Vertrag zu Grunde liegen, abgestellt werden müssen.
02 Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer das Zeugnis unverzüglich zu übersenden und die Mängel fristgemäß zu beseitigen sowie dies dem Versicherer anzuzeigen.
03 Verletzt der Versicherungsnehmer eine der in Nr. 1 oder Nr. 2 genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer unter den in Abschnitt B § 8 AFB 2010 beschriebenen Voraussetzungen zur Kündigung berechtigt oder auch ganz oder teilweise leistungsfrei. Führt die Verletzung dieser Obliegenheiten auch zu einer Gefahrerhöhung, so gilt zusätzlich Abschnitt B § 9 AFB 2010.
Unterschiede zwischen DGUV V3 und VdS 2871
Die DGUV Vorschrift 3 bezieht sich primär auf den Schutz von Personen vor elektrischen Gefährdungen. Hierbei steht die Sicherheit gegen den elektrischen Schlag im Vordergrund. Die Prüfung erfolgt durch Elektrofachkräfte, die dafür sorgen, dass vorgeschriebene Sicherheitsstandards eingehalten werden.
Übliche Prüfungen sind unter anderem:
• Sichtprüfung der elektrischen Anlage
• Durchgängigkeit der Schutzleiter und Potenzialausgleichsleiter
• Prüfung der Schutzleiterverbindungen
• Messung des Isolationswiderstands
• Prüfung der Schutzeinrichtungen
Im Gegensatz zur DGUV V3 liegt bei der VdS 2871 der Fokus auf dem Sach- und Brandschutz. Diese Prüfungen werden durch zertifizierte Elektrosachverständige durchgeführt und zielen darauf ab, Brände zu verhindern. Die üblichen elektrotechnischen Prüfungen werden daher um eine schadenpräventive Betrachtungsweise ergänzt.
Zum besonderen Prüfumfang der VdS-Prüfung gehören:
• Einbeziehung des baulichen Brandschutzes (z. B. Brandabschottungen)
• Durchführung von berührungslosen Temperaturmessungen mit Thermografie-Kamera
• Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse der Brandschadenverhütung
• Ordnungsprüfung der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen
• Bewertung der Mängel hinsichtlich Brand- oder Unfallgefahr
Die Sachverständigen durchlaufen bei der VdS Schadenverhütung GmbH ein Anerkennungsverfahren und müssen ihre Qualifikation regelmäßig nachweisen. Weiterhin unterliegen die Sachverständigen einer kontinuierlichen Qualitätsüberwachung. [7]
Praktische Anwendung der beiden Prüfungen
Wurde die Prüfung der elektrischen Anlagen entsprechend der Klausel 3602 mit dem Versicherer vereinbart, bedeute dies, dass zusätzlich zu den gesetzlichen und behördlichen Anforderungen eine Prüfung gemäß VdS 2871 erforderlich ist (Tabelle 1).

Aus der vorangegangenen Beschreibung der beiden Prüfungen lässt sich erkennen, dass die eine Prüfung keinen Ersatz für die andere darstellen kann. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass eine doppelte Prüfung aller Teile der elektrischen Anlage notwendig ist. Ebenso gibt es durchaus Schnittmengen zwischen DGUV V3 und VdS 2871. Der VdS-anerkannte Sachverständige prüft beispielsweise im Rahmen der Ordnungsprüfung, ob aktuelle Prüfberichte aus der DGUV-Prüfung vorliegen. Liegen diese nicht vor, muss er dies als Mangel in seinem Befundschein aufführen. Sind dagegen aktuelle Prüfprotokolle verfügbar, können diese Messwerte für die VdS-Prüfung genutzt werden. Der VdS-anerkannte Sachverständige bewertet die Messwerte und kann den Umfang der eigenen Messungen reduzieren. Der Aufwand der VdS-Prüfung verringert sich (Bild 1).

Ein VdS-anerkannter Sachverständiger bietet den Vorteil einer unabhängigen Prüfung der elektrischen Anlage. Dies bringt frische Perspektiven in die Beurteilung und hilft, potenzielle Schwachstellen zu entdecken, die eventuell intern übersehen wurden. Er ist ein neutraler Dritter und muss im Gegensatz zum Errichter der elektrischen Anlage oder zu einem Betriebselektriker nicht sein eigenes Werk begutachten. Diese Unabhängigkeit gewährleistet eine objektive Bewertung, die frei von betrieblichen Vorannahmen ist und somit die Sicherheit der elektrischen Anlage auf einer neutralen Basis sicherstellt. Während die DGUV-Prüfung durch den Errichter oder den Betriebselektriker auf ihre Weise wertvoll ist, da sie auf deren spezifische Kenntnis der Anlage zurückgreifen kann, bietet die externe Prüfung durch einen VdS-anerkannten Sachverständigen eine zusätzliche Sicherheitsebene mit erweitertem Fokus.
Warum ist die Prüfung gemäß VdS 2871 wichtig für den Versicherer?
Neben den vorgenannten Punkten wie „Unabhängigkeit des Prüfers“ und einem Fokus auf den Sachwertschutz ist die Art der Dokumentation ein weiterer wichtiger Aspekt. Der VdS-anerkannte Sachverständige dokumentiert seine Prüfung in einem Befundschein. [8] Dort beurteilt er die Gesamtanlage anhand von vier Gefährdungskategorien, listet vorgefundene Mängel auf und nennt einen Termin, bis zu dem diese zu beseitigen sind (Bild 2).
Beschreibung der Gefährdungskategorien:
a) Anlage in gutem Zustand, Wartung erfolgt und Gefahren offensichtlich nicht zu erwarten. Es wurden keine bedenklichen Mängel festgestellt.
b) Anlage in gutem Zustand mit Beeinträchtigungen in Teilbereichen, die weiter beobachtet werden müssen.
c) Anlage in Teilbereichen, die sich in weniger gutem Zustand befinden. Dabei ist teilweise von Beeinträchtigungen auszugehen, die sofort behoben werden bzw. die weiter beobachtet werden müssen. Je nach Nutzung ist in Teilbereichen von Gefahren auszugehen.
d) Anlage in schlechtem Zustand. Es waren zahlreiche Mängel vorhanden, die sofort behoben werden müssen.
Mängel, die eine Brandgefahr oder eine Unfallgefahr hervorrufen können, werden besonders gekennzeichnet und sind unverzüglich zu beheben. Die Mitarbeiter in den Vertragsabteilungen der Versicherer können so einfach erkennen, ob sich das Risiko, ausgehend von der elektrischen Anlage, verändert hat. Mit einem klassischen Prüfprotokoll, in dem überwiegend elektrotechnische Messwerte dokumentiert sind, wäre dies nicht möglich.
Exkurs VdS 2871 und Photovoltaik
Photovoltaikanlagen gehören bei immer mehr Gebäuden zur Standardausstattung. Als Energieerzeuger sind sie Teil der elektrischen Anlage und sollen gemäß VdS 2871 besichtigt werden.
Die Prüfung konzentriert sich auf das Vorhandensein von Abnahmeprotokollen, die ordnungsgemäße Verlegung und Befestigung der Leitungen sowie deren Schutz vor äußeren Einflüssen wie Wärme oder Feuchtigkeit. Zudem wird die Montage der Wechselrichter auf Risiken geprüft, etwa in staubigen oder feuergefährdeten Bereichen. Bei Photovoltaikanlagen auf Dachflächen besteht dabei allerdings die Herausforderung, dass diese häufig nur mit hohem Aufwand und unter Sicherheitsvorkehrungen begangen werden können. Ist der Aufwand oder das Absturzrisiko zu hoch, kann die Sichtprüfung entfallen und der Sachverständige dokumentiert dies im Befundschein. Ebenfalls wird dokumentiert, ob die Photovoltaikanlage regelmäßig nach DIN VDE 0126-23-1 [9] geprüft wird.
Es kann somit keine vollständige Prüfung der Photovoltaikanlage im Rahmen der VdS-Prüfung erwartet werden. Wird eine umfassende Prüfung der Photovoltaikanlage gewünscht, muss dies in der Regel separat beauftragt werden, idealerweise bei einem der VdS-anerkannten Sachverständigen für Photovoltaikanlagen. [10]
FAZIT
Die Prüfung elektrischer Anlagen gemäß DGUV V3 und VdS 2871 verfolgt unterschiedliche Schutzziele. Während die DGUV V3 primär den Personenschutz fokussiert, dient die VdS 2871 dem umfassenden Sach- und Brandschutz. Für Betreiber elektrischer Anlagen trägt eine regelmäßige Prüfung aber nicht nur dazu bei, Schäden durch Brände mit elektrotechnischer Ursache zu verhindern. Durch die fachgerechte Instandhaltung wird sich auch die Zuverlässigkeit der technischen Anlagen erhöhen. Eine regelmäßig instand gehaltene Anlage bedeutet weniger Ausfälle und damit einen stabilen Betrieb. Der Sachversicherer erhält durch die VdS-Prüfung regelmäßig einen qualifizierten und unabhängigen Überblick über den Zustand der elektrischen Anlagen und kann zielgerichtet zu präventiven Maßnahmen beraten. Ein Sicherheitsgewinn für beide Partner.
Bernd Große-Scharmann M.Sc.,
Risikoingenieur Hauptabteilung Schadenprävention & Risikobewertung im Provinzial Konzern, Münster
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[1] Ursachenstatistik Brandschäden 2023 | Institut für Schadenverhütung und Schadenforschung der öffentlichen Versicherer e.V. (IFS) | https://www.ifs-ev.org/schadenverhuetung/ursachenstatistiken/ ursachenstatistik-brandschaeden- 2023/
[2] Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) § 49 Anforderungen an Energieanlagen; Verordnungsermächtigung; Festlegungskompetenz | https://www.gesetze-im-internet.de/ enwg_2005/
[3] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung | DGUV Vorschrift 3 | Elektrische Anlagen und Betriebsmittel | https://publikationen.dguv.de/ DguvWebcode/index/query/p000280
[4] Richtlinien für die Prüfung elektrischer Anlagen | Prüfrichtlinien nach Klausel SK 3602 | Hinweise für den anerkannten Elektrosachverständigen | VdS Verlag | https://shop.vds.de/ de/publikation/vds-2871
[5] Verzeichnis der VdS-anerkannten Elektrosachverständigen | VdS Schadenverhütung GmbH | https://vds.de/zertifikate/verzeichnis/V2507
[6] Klauseln für die Feuerversicherung | Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. https://www.gdv.de/resource/ blob/6234/1794135aea863a2cd129aeb963b6cc96/ 05-klauseln-fuer-die-feuerversicherung- sk-afb-2010–data.pdf
[7] Merkblatt über die Prüfung elektrischer Anlagen gemäß Klausel 3602 | VdS Verlag | https:// shop.vds.de/de/publikation/vds-3447
[8] VdS 2229 Befundschein über die Prüfung elektrischer Anlagen gemäß Vorgaben der Sachversicherer nach den Prüfrichtlinien VdS 2871 durch VdS-anerkannte Sachverständige | VdS Schadenverhütung GmbH | https://shop.vds. de/de/publikation/vds-2229
[9] DIN EN 62446-1 (VDE 0126-23-1) Photovoltaik (PV)-Systeme – Anforderungen an Prüfung, Dokumentation und Instandhaltung – Teil 1: Netzgekoppelte Systeme – Dokumentation, Inbetriebnahmeprüfung und Prüfanforderungen
[10] Verzeichnis der VdS-anerkannten Sachverständigen für Photovoltaikanlagen | VdS Schadenverhütung GmbH | https://vds.de/zertifikate/ verzeichnis/V3180