Die zunehmende Bedeutung von Wasserstoff als Schlüsseltechnologie zur Erreichung der Klimaneutralität und der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung stellt auch für die Feuerwehr neue Herausforderungen dar. Bei einem unkontrollierten Austritt von unter Druck stehendem Wasserstoff aus Anlagenkomponenten oder Leitungssystemen und anschließender Entzündung entsteht eine sogenannte Wasserstoff-Freistrahl-Flamme, deren besondere Eigenschaften für Feuerwehren zur Gefahr werden können.
H2 – die Zukunft?
Wasserstoff gilt als eine zentrale Schlüsseltechnologie zur Erreichung der Klimaneutralität und spielt eine zunehmend bedeutende Rolle in der globalen und nationalen Energiepolitik. Als vielseitiger chemischer Energieträger bietet er das Potenzial, CO2- Emissionen signifikant zu reduzieren und fossile Brennstoffe in zahlreichen Industriezweigen zu ersetzen. Insbesondere in Bereichen, in denen die direkte Nutzung erneuerbarer Energien technisch oder wirtschaftlich nicht umsetzbar ist, stellt Wasserstoff eine vielversprechende Alternative dar.
Die Bundesregierung hat die strategische Relevanz von Wasserstoff frühzeitig erkannt und verfolgt mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) das Ziel, dessen Markteinführung zu beschleunigen, die notwendige Infrastruktur aufzubauen und Deutschland als Technologieführer im globalen Wettbewerb zu etablieren. Der jüngst fortgeschriebene Fortschrittsbericht der NWS sieht eine heimische Elektrolysekapazität von mindestens 10 GW bis 2030 vor, ergänzt durch eine wachsende Importstrategie zur Deckung des nationalen Bedarfs. Parallel dazu soll eine leistungsfähige Wasserstoffinfrastruktur mit 1.800 km Transportleitungen bis 2027/28 geschaffen werden, um Erzeugungs- und Verbrauchszentren effizient zu verbinden.
Trotz der vielversprechenden Potenziale von Wasserstoff stehen dessen breite Einführung und Nutzung noch vor wesentlichen Herausforderungen. Die Herstellung ist derzeit mit hohen Energiekosten verbunden und die erforderlichen Produktionskapazitäten müssen erheblich ausgebaut werden. Zudem erfordert der sichere Umgang mit Wasserstoff umfassende regulatorische Anpassungen und technologische Weiterentwicklungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Die kommenden Jahre werden somit entscheidend sein, um die Transformation hin zu einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft erfolgreich zu gestalten und deren sicherheitstechnische Aspekte gezielt weiterzuentwickeln.
Power-to-X (P2X) bezeichnet technologische Verfahren, bei denen überschüssige elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen in speicher- oder weiterverwendbare Energieträger umgewandelt wird. Dazu gehören unter anderem Power-to-Gas (P2G) zur Erzeugung von Wasserstoff oder Methan, Power-to-Liquid (P2L) für synthetische Kraftstoffe und Power-to-Chemicals (P2C) zur Herstellung chemischer Grundstoffe wie Ammoniak oder Methanol.
Wasserstoff findet Anwendung in der …
Industrie, Mobilität, Energiespeicherung & Netzstabilisierung, Energie & Wärmeversorgung, Herstellung von Chemie & synthetischen Kraftstoffen, Raumfahrt & Spezialanwendungen [1]

Besondere Eigenschaften von H2
Wasserstoff weist mehrere besondere Eigenschaften auf, die ihn von anderen Brennstoffen unterscheiden und bei der Gefahreneinschätzung berücksichtigt werden müssen. Eine wesentliche Herausforderung im Umgang mit Wasserstoff ist die Vielzahl an Zündquellen, die zu einer Entzündung führen können. Neben den in der Technischen Regel für Gefahrstoffe 723 (TRGS 723) definierten 13 Zündquellen wie heiße Oberflächen, offene Flammen, Elektrizität oder Blitzschlag existieren spezifische Zündursachen, die für Wasserstoff von Bedeutung sind. Diese umfassen unter anderem Eis- und Schneeregen, funkenfreie elektrische Spitzenentladungen wie die Koronaentladung, Reibung von Textilien sowie Reibung durch Verschmutzungen oder Korrosion, z. B. bei feingemahlenen Eisenoxidpartikeln.
Ein weiteres Phänomen ist die sogenannte Diffusionszündung, bei der Wasserstoff aufgrund einer schnellen thermodynamischen Entspannung durch Reibung der Moleküle entzündet werden kann. Besonders auffällig ist die geringe Mindestzündenergie von Wasserstoff, die mit lediglich 0,019 mJ etwa zehnmal geringer ist als die von Methan, was das Risiko einer Entzündung erheblich steigert.
Ein weiteres besonderes Merkmal von Wasserstoff ist seine Unsichtbarkeit bei der Verbrennung. Während die Flammen anderer brennbarer Gase wie Methan oder Propan für das menschliche Auge sichtbar sind, ist die Verbrennung von reinem Wasserstoff aufgrund der geringen Emission von sichtbarem Licht nahezu unsichtbar. Diese Unsichtbarkeit stellt eine erhebliche Gefahr dar, da Feuerwehreinsatzkräfte oder andere Personen die Flamme nicht rechtzeitig erkennen können, was die Gefahrenabwehr erschwert. Zudem wird bei der Verbrennung von Wasserstoff nur eine geringe Wärmestrahlung emittiert, was die Gefahr zusätzlich erhöht, da keine klare visuelle Warnung vor der Flamme besteht.
Darüber hinaus zeichnet sich die Wasserstoff-Freistrahl-Flamme durch eine besonders hohe Verbrennungstemperatur aus. Im Vergleich zu Methan- oder Propan-Flammen ist die Flamme von Wasserstoff deutlich kürzer, mit einem optimalen Zündbereich von 55 bis 65 Vol.-%. Mit steigender Windgeschwindigkeit, die die Flammenlänge beeinflusst, nimmt diese jedoch ab. Ab einer Windgeschwindigkeit von etwa 10 m/s kann die Flamme um bis zu 50 % kürzer werden, da die überstöchiometrische Verbrennung durch den Wind beschleunigt wird. Dieser Effekt resultiert in einer schnelleren Verbrennung, wodurch die zurückgelegte Verbrennungsstrecke reduziert wird.
Die hohen Temperaturen und die damit verbundene schnelle Verbrennung stellen zusammen mit der unsichtbaren Flamme eine erhebliche Gefahr dar, insbesondere im Hinblick auf die Brandbekämpfung und die Gefährdung der Einsatzkräfte. [3] [4] [5]
Risiko & Erfahrungen
Das Risiko von Unfällen im Zusammenhang mit Wasserstoff ist nicht nur theoretischer Natur, sondern wird durch eine Vielzahl realer Vorfälle und Studien belegt. Gummer und Hawksworth [5] wiesen in ihrer Untersuchung von Wasserstoffunfällen darauf hin, dass die elektrostatische Aufladung eine der Hauptursachen für die Entzündung von Wasserstoff darstellt. Sie betonten jedoch, dass eine einzelne Zündquelle selten ausreicht, um eine Entzündung zu verursachen – vielmehr treten meist zwei bis drei Quellen gleichzeitig auf.
Die NASA [6] analysierte im Rahmen des Weltraumprogramms 87 Wasserstoffunfälle und kam zu dem Ergebnis, dass in 44 % der Fälle der Wasserstoff bei seiner Freisetzung direkt in die Atmosphäre entzündet wurde. In weiteren 24 % der Fälle erfolgte die Entzündung in Anlagenteilen wie Rohrleitungen oder Behältern.
Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Risikobewertung von Wasserstoff kommt von Gómez-Mares et al. [11], die zwischen 1961 und 2008 84 Störfälle untersuchten. Ihre Analyse zeigte, dass in 61 % der Fälle LPG und in 47,6 % der Fälle Wasserstoff als Ausgangsstoff für die Entzündung von Freistrahl-Flammen verantwortlich waren. Besonders auffällig ist, dass mechanisches und anlagenspezifisches Versagen mit 37 % die Hauptursache für diese Vorfälle darstellten, gefolgt von menschlichen Fehlern mit 29 %. In 64,6 % der Fälle entstand eine Freistrahl-Flamme, und in 44 % dieser Vorfälle führte die Freistrahl- Flamme zu 1 bis 10 Todesopfern.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass bei vielen Unfällen mit Wasserstoff Freistrahl-Flammen eine zentrale Rolle spielen und dass die Mechanismen zur Vermeidung und Eindämmung dieser Flammen von entscheidender Bedeutung sind. In 6 % der betrachteten Fälle kam es direkt nach der Entzündung zu einer Explosion, während in 94 % der Fälle die unzureichende Eindämmung der Schäden zu weiteren Brand- oder Explosionsereignissen führte. [7] [8]
H(2)erausforderungen
• Unsichtbare Hochtemperatur-Freistrahl-Flamme mit geringer Wärmestrahlung
• Extrem niedrige Zündenergie und zahlreiche Zündquellen
• Hohe Wahrscheinlichkeit der Selbstentzündung bei Freisetzung in die Atmosphäre
• Schnelle und kürzere Flammen im Vergleich zu Kohlenwasserstoff-Flammen
• Häufige Störfallursache: menschliches Versagen (37 %) und menschliche Fehler (29 %), oft mit tödlichen Folgen
Wasserstoff-Flamme
Wasserstoff verbrennt nahezu unsichtbar, weil bei der Verbrennung kein Ruß wie bei Kohlenstoffverbindungen entsteht. Weiterhin ist die Wärmestrahlung sehr gering. Daher besteht die Gefahr, dass Personen in Wasserstoff-Flammen hineinlaufen. Mit einer Wärmebildkamera ist brennender Wasserstoff gut erkennbar.
Strategien & Schutzmaßnahmen
Der Stoffaustritt von Wasserstoff ist grundsätzlich als Gefahrstoffaustritt im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes nach der FwDV 500 zu bewerten und zu behandeln.
Als Löschmittel kommen grundsätzlich die des Umgebungsbrandes geeigneten Mittel zum Einsatz. Bei Bränden an Ventilen oder Anlagenequipments kann Löschpulver empfohlen werden. Es ist hierbei auf die anschließende unkontrollierte Stoffausbreitung zu achten. Grundsätzlich sind die Anforderungen an den Sicherheitsbereich nach der FwDV 500 einzuhalten. Das entspricht einem Gefahrenbereich von 50 m und einem Absperrbereich von 100 m. Bei brennenden Tanks ist der Abstand auf 1.500 m zu erhöhen. Ferner lässt sich der Sicherheitsbereich dynamisch in drei Bereiche, sogenannte Safety-Zonen, aufteilen.

Die drei Safety-Zonen wirken dynamisch (in Abhängigkeit der Umgebungsparameter, z. B. Windgeschwindigkeit, Austrittsrichtung) um die Quellgefahr.
Die Sicherheitsbereiche lassen sich wie folgt überschlagen:
Xsafety,1 = 2,0 * LF
Xsafety,2 = 3,0 * LF
Xsafety,3 = 2,5 * LF
Die latente Flammenlänge LF kann entweder optisch abgeschätzt werden oder nach folgender Formel näherungsweise bestimmt werden:
LF ≈ 116 * (m ̇*Ds )0,347
Wobei ṁ für den austretenden Massenstrom und Ds für den hydraulischen Austrittsdurchmesser steht. [9] [10]
FAZIT
Mit dem beschleunigten Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur im Zuge der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) steigen die Herausforderungen für Feuerwehren im Umgang mit diesem Energieträger. Die zunehmende Nutzung von Wasserstoff in Industrie, Mobilität und Energiespeicherung erfordert eine gezielte Anpassung von Einsatzkonzepten sowie eine umfassende Schulung der Einsatzkräfte. Besonders die einzigartigen physikalisch-chemischen Eigenschaften von Wasserstoff stellen Feuerwehrkräfte vor neue Risiken: Die nahezu unsichtbare Flamme, die extrem niedrige Zündenergie sowie die hohe Wahrscheinlichkeit der Selbstentzündung erschweren eine sichere Brandbekämpfung.
Zudem machen Störfallanalysen deutlich, dass mechanisches Versagen und menschliche Fehler wesentliche Ursachen für Wasserstoffunfälle sind. Mit dem Ausbau von Produktions- und Verteilungsanlagen steigt das Risiko für unkontrollierte Leckagen und Freistrahl-Flammen, die im Vergleich zu Methan- und Propan-Flammen deutlich kürzer, aber intensiver verbrennen. Zukünftige Schutzmaßnahmen müssen daher auf fortschrittliche Sensorik, robuste Materialien und spezielle Löschstrategien setzen. Gleichzeitig bedarf es klarer Einsatzrichtlinien für den Umgang mit Wasserstoffunfällen, da bisherige Regelwerke wie das DVGW-Merkblatt G 491 (A) keine spezifischen Maßnahmen für Freistrahl-Flammen vorschreiben.
Die Zukunft der Feuerwehrarbeit im Kontext von Wasserstoff hängt entscheidend von der Weiterentwicklung technischer Schutzmaßnahmen, der Anpassung gesetzlicher Vorgaben und einer kontinuierlichen Ausbildung ab. Nur durch interdisziplinäre Forschung und praxisnahe Schulung kann sichergestellt werden, dass Feuerwehren den neuen Anforderungen gewachsen sind.
Ing. Denis Drosdzol, Geschäftsführer | L3NZ Technology UG (haftungsbeschränkt), Mail: denis.drosdzol@lenz-technology.com, Gelsenkirchen
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[1] Die Bundesregierung, „Die Nationale Wasserstoffstrategie“
[2] Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV), „GESTIS-Stoffdatenbank“, [Online]. Available: https://gestis.dguv.de/. [Accessed 05.02.2025]
[3] G. R. Astbury, „Venting of Low Pressure Hydrogen Gas – a critique of Literature, Process Safety and Environmental Protection”, Vol. 85, p. 289–304, 2007.
[4] P. Wolanski and S. Wójcicki, “Investigation into the Mechanism of Diffusion Ignition of a combustible Gas Flowing into an Oxidising Atmosphere”, 14 th international Symposium on Combustin, The Combustion Institute, Pennsylvania State University, 1973
[5] J. Gummer and S. Dr. Hawksworth, “Spontaneous ignition of hydrogen”, Harpur Hill, Buxton, 2008.
[6] NASA – national aeronautics and space administration, “Safety standard for hydrogen and hydrogen systems”, Washington DC, 2005
[7] A. D. Johnson, H. M. Brightwell and A. J. Carsley, “a model for predicting the thermal radiation hazards from large scale horizontally releases natural gas jet fires”, 1994
[8] V. Molkov, “Fundamentals of hydrogen Safety engineering – Part I and Part II”, 2012.
[9] HyResponder, “Hazard distances from hydrogen flames and fire fighting”, Juni 2021
[10] BSI British Standards Institution, “The application of fire safety engineering principles to fire safety design of buildings – Part 6: Human factors: Life safety strategies – Occupants evacuation, behaviour and condition”, 2004.
[11] M. Gómez-Mares, L.Zárate and J. Casal. „Jet-Fire and the domino effect“. Fire safety journal. Vol. 43. 2008