Brandprävention mithilfe von Computersimulationen – Teil 2
Dieser zweite Teil des Artikels beschreibt nun weitere wesentliche Untersuchungsergebnisse und beleuchtet den Einfluss unterschiedlicher Balkonkonstruktionen genauer. Schließlich werden Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes abgeleitet, die sich insbesondere auf eine Reduktion der Brandausbreitung am Brandobjekt und auf Nachbargebäude auswirken. Ferner wird auch der systemische Einfluss der derzeit geltenden materiellen Anforderungen des Baurechts auf ein solches Szenario erörtert.
Das innerhalb des Artikels der vorangegangenen Ausgabe untersuchte Brandereignis selbst zeichnete sich durch eine schnelle und großflächige Brandausbreitung über die Fassade und einer damit einhergehenden enormen Wärmefreisetzung aus. Die Dynamik und die Intensität des Brandverlaufes erstaunte nicht nur die zuständige Feuerwehr, sondern erregte darüber hinaus auch in der Brandschutzwelt eine große Aufmerksamkeit. Trotz eines kurzen Anfahrtsweges und einer schnellen Brandbekämpfung durch die Feuerwehr kam es zu einem großflächigen Brand über fast die gesamte Fassade der Gebäudeinnenseite.
PRÄVENTIONSANALYSE am Beispiel eines Großbrandes in einer deutschen Großstadt
RÜCKBLICK Im Rahmen eines vorangegangenen Artikels in der schadenprisma Ausgabe 03/2025 wurde vorgestellt, wie Brandsimulationen bei der Brandprävention eingesetzt werden können. Ebenfalls vorgestellt wurde die Brandsimulation eines ungewöhnlichen Großbrandes einschließlich erster Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Das pinke Gebäude in Bild 1 zeigt das Brandgebäude inkl. der Umgebungsbebauung.
Im ersten Teil des Artikels konnte gezeigt werden, dass sich Brandsimulationen grundsätzlich als Hilfsmittel zur Abbildung von Branddynamiken und zur Brandprävention eignen und dass erste Simulationen eine hinreichende Vergleichbarkeit mit dem Realbrandereignis aufweisen. Die ersten konkreten Auswertungen zeigten beispielsweise, dass die von den Einsatzkräften geschilderte Wärmestrahlung ebenso wie eine rasche Brandausbreitung über die Fassade auch im Rahmen der Brandsimulation nachgewiesen werden konnte. Für eine weitere Präventionsanalyse ergab sich daher die Möglichkeit, einzelne Parameter / Aspekte zu variieren, um deren Einfluss genauer zu untersuchen. Der Artikel stellte dar, dass sich Simulationen sowohl zur Brandursachenermittlung als auch zur Ableitung von präventiven Maßnahmen für die Planung eignen.

Im Rahmen der ersten Ergebnisauswertungen konnte der Einfluss der vorhandenen Balkone beziehungsweise deren Konstruktion und Nutzung auf die Brandausbreitung dargestellt werden. Innerhalb dieses Artikels werden jetzt die bauordnungsrechtlichen Belange in Bezug auf Balkonkonstruktionen im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes genauer betrachtet und vorgestellt. Hierzu werden die aus den variierten Parametern und Aspekten resultierenden Simulationsergebnisse detailliert präsentiert und nachvollziehbar erläutert. Abschließend soll erläutert werden, ob und welche Maßnahmen sich im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes ableiten lassen.
VORSTELLUNG SIMULATIONSERGEBNISSE
Grundlagen für die Untersuchung
Vor den fundierten Simulationsuntersuchungen wurden Vorstudien durchgeführt, um die Unabhängigkeit von Randparametern zu prüfen. Im vorliegenden Fall betraf dies vor allem die Gebäudeumströmung, die Zellgrößen, die Größe des Rechengebiets, das Windprofil und das Turbulenzprofil des Windes. Ergänzend wurden Detailstudien mit einzelnen Möbelstücken durchgeführt. Die Brandlasten basierten auf NIST-Realbrandversuchen[ 1] und wurden so angepasst, dass ein vergleichbares Abbrandverhalten resultiert. Grafik 1 zeigt am Beispiel eines Sessels die Validierung dieses Vorgehens. Entscheidend ist, sowohl die maximale Wärmefreisetzungsrate (HRR) als auch deren zeitlichen Verlauf realitätsnah abzubilden, um die Wirkung der Möbelstücke im Gesamtszenario korrekt zu erfassen.

Weitere Vorstudien umfassten zudem die Festlegung geeigneter Strahlungswinkel zur Abbildung der Strahlungsausbreitung, die Parametrierung von Verglasungen zur Darstellung realistischen Bruchverhaltens sowie die Berücksichtigung realitätsnahen Abtropfverhaltens brennbarer Materialien.
Untersuchte Hauptvarianten
Im Rahmen der Simulationen wurde eine Reihe von Hauptvarianten untersucht, die sich in zwei Kategorien einteilen lassen: Variation der Randbedingungen sowie Variation der Materialparameter.
Zur Variation der Randbedingungen zählen:
• Simulationen mit und ohne Windeinfluss
• unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten des Initialbrandes (1 MW bzw. 3 MW)
• Variation der Brandposition (Erdgeschoss und 1. Obergeschoss)
• Variation der Brandbelastung auf dem Balkon (Sommer-, Winterund Übergangsfall)
• Varianten der Verglasungsausführung
• offener bzw. geschlossener Innenraum
Die Variation der Materialparameter umfasste:
• brennbare WPC-Dielen und brennbare Balkonbekleidung
• Fußbodenbelag und Balkonbekleidung in nichtbrennbarer Ausführung (Baustoffklasse A)
• geänderte Wandführung im Bereich der Brandwände bis zur Außenkante des Balkons
• Einbeziehung und Nichteinbeziehung des Innenraums in den Brandverlauf
Für jede dieser Varianten ergaben sich spezifische Brandentwicklungen und maximal unterschiedliche Wärmefreisetzungsraten (HRR). In Abhängigkeit dieser HRR-Werte traten ebenfalls variierende Temperatureinwirkungen auf die angrenzende Bebauung auf. Die Ergebnisse liefern damit eine differenzierte Grundlage, um den Einfluss einzelner Randbedingungen und baulicher Maßnahmen auf die Brandausbreitung und die thermische Belastung benachbarter Gebäude zu bewerten.
Auswertungen
Für die Auswertung wurden im Simulationsmodell elf vertikale Messachsen im Abstand von 2,0 m definiert, beginnend bei 1,0 m über Gelände. Entlang dieser Achsen erfolgte die Auswertung von Gastemperatur, Strahlungsintensität und Strömungsgeschwindigkeit; zusätzlich wurden Druck und optische Rauchdichte in verschiedenen Höhen erfasst (Tabelle 1).

Zur Ergebnisdarstellung wurden 3DPlots sowie Statistikzonen genutzt, um Maximal-, Minimalund Mittelwerte für adiabate Oberflächentemperatur (AST) und Strahlungswärmestromdichte (RHF) an den Nachbargebäuden sowie Wärmefreisetzungsraten (HRR) in ausgewählten Gebäudebereichen zu bestimmen. Ergänzend wurden Brennstoffund Sauerstoffkonzentrationen in drei Wohnungen erfasst.
Darüber hinaus erfolgte eine Auswertung von Oberflächendaten an den Fassadenflächen, darunter AST, Verbrennungsraten, Druckbeiwerte, Strahlungswärmestromdichten und Wandtemperaturen. Diese Parameter erlauben eine präzise Bewertung der thermischen und strömungstechnischen Einwirkungen auf das Brandobjekt und die Nachbargebäude.
Simulationsergebnisse Für die Ermöglichung von wirksamen Löschmaßnahmen sowie der Rettung von Menschen und Tieren ist der Einfluss verschiedener Parameter und Baukonstruktionen auf die Brandentstehungs und Brandentwicklungsphase in den ersten Minuten nach Brandentstehung entscheidend. Weniger fortgeschrittene Brände beim Eintreffen der Feuerwehr erhöhen die Wahrscheinlichkeit, den Brand unter Kontrolle zu bringen; fortgeschrittene Brandverläufe erschweren dies erheblich.
Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich daher auf die ersten etwa 15 Minuten nach Brandbeginn. Eine mögliche Schweloder Entzündungsphase, die sich ebenfalls über mehrere Minuten erstrecken kann, wird aufgrund des spezifischen Untersuchungsgegenstandes nicht berücksichtigt.
BRANDENTWICKLUNG ANHAND DER WÄRMEFREISETZUNGSRATEN
Es werden Wärmefreisetzungsraten dargestellt, die innerhalb definierter Bereiche (Volumen oberhalb Balkon) gemessen wurden. Wärmefreisetzungsraten im Inneren des Gebäudes werden hier nicht abgebildet, aber in der Simulation gemessen.
Einfluss des Windes
Der Einfluss des Windes wird anhand des Vergleichs Sommerund Winterfall beschrieben (Grafik 2). Der Sommerfall beschreibt eine volle Belegung der Balkone mit Möblierung, wie sie im Sommer zu erwarten wäre. Der Winterfall beschreibt eine Situation mit leeren Balkonen, in denen nur die fest verbauten Brandlasten, wie WPC-Dielen und Balkonverkleidungen vorhanden sind. Der Winterfall geht davon aus, dass ein Großteil der Brandlasten z. B. im Keller verstaut ist. Nähere Erläuterungen hierzu und Bilder der Flammenausbreitung über den Balkon sind dem 1. Artikel dieser Beitragsreihe zu entnehmen, der in der vorherigen Ausgabe veröffentlicht wurde.
Wind beschleunigte in allen Szenarien den Anstieg der Wärmefreisetzungsrate (HRR) und förderte die Brandausbreitung, ohne jedoch bei voll belegten Balkonen den Maximalwert am Balkon zu erhöhen. Bei geringer Möblierung der Windeinfluss dagegen zu einem deutlichen HRR-Anstieg.
Nichtbrennbare Bodenbeläge und Balkonverkleidungen („Baustoffklasse A“)
Bei dieser Variante wurden die WPCDielen und die Kunststoffbekleidungen abweichend zur realen Ausführung als nichtbrennbar angenommen. Nachfolgend werden die Kernpunkte zusammengefasst.
In Szenarien mit kleinem Initialbrand (drei Stühle, HRRmax ≈ 1 MW) blieb der Brand auf den Zündbereich begrenzt. Es kommt zu keiner weiteren Entzündung von umliegenden Brandlasten. Die nichtbrennbaren Beläge wirkten hier als wirksame Barriere. Aufgrund der nicht vorhandenen Brandausbreitung wird kein Diagramm für dieses Szenario dargestellt.
Bei großem Initialbrand (Couch, HRRmax ≈ 3 MW) kam es zwar zu einer Ausbreitung auf weitere Gegenstände, jedoch deutlich langsamer und weniger flächig als bei brennbaren Balkonbelägen. Die Untersuchung zeigt: Die Ausführung der Bodenbeläge und Balkonverkleidungen in nichtbrennbar kann selbst bei hohen Brandlasten die Brandentwicklungsgeschwindigkeit reduzieren. Die geänderte Ausführung verhindert aber bei sehr großen Initialbränden mit vielen mobilen Brandlasten die Ausbreitung nicht in Gänze. Grafik 3 zeigt den Verlauf der Wärmefreisetzungsrate für einen großen Initialbrand.


Einfluss nichtbrennbare Wand
Eine geschlossene, nichtbrennbare Wand, die über den Balkon hinausragt, verhinderte in den untersuchten Szenarien zuverlässig die Brandweiterleitung eines Vollbrandes auf angrenzende Abschnitte. Innerhalb des abgetrennten Abschnitts konnte sich der Brand jedoch weiterhin ungehindert und mit gleicher Geschwindigkeit wie ohne Wand entwickeln.
Windeinflüsse, die einen Brandüberschlag begünstigen könnten, wurden in diesen Szenarien nicht berücksichtigt. Die Flammenausbreitung über den Balkon ist auf Bild 2 und 3 dargestellt. Der Brandverlauf ist auf den Bildern bereits sehr weit fortgeschritten. Dennoch ist zu beobachten, dass sich der Brand nicht über die nichtbrennbare Wand hinaus ausbreitet. Die Wand befindet sich am linken Flammenrand.
EINFLUSS NICHTBRENNBARE WAND

oben: mit Wind; unten: ohne Wind

Einfluss Verglasung
Die Art der Verglasungsmodellierung beeinflusst den Brandverlauf deutlich. Versagt die Scheibe früh (≈ 550–600 °C, „vereinfachtes“ Verglasungsmodell), strömen Pyrolysegase aus dem Innenraum auf den Balkon und verstärken dort die Brandentwicklung, besonders bei geringer Möblierung im Winterfall.


Auf Bild 4 ist der Austritt von gasförmigem Brennstoff aus dem Innenraum auf aufgrund zerstörter Verglasung dargestellt. Dieser gasförmige Brennstoff entzündet sich bei Kontakt mit Sauerstoff im Bereich des Balkons und erhöht dort die Wärmefreisetzungsrate.
Wird hingegen ein Strahlungsdurchtritt abgebildet („komplexes“ Verglasungsmodell), kann sich hinter dem Glas Material entzünden, ohne dass die Scheibe sofort versagt (Bild 5). Die Verglasung bleibt so bis zu 30 Minuten intakt, wodurch sich die Entwicklung der Wärmefreisetzungsrate stärker von der Innenraumbeteiligung entkoppelt. Der Einfluss ist bei mäßiger Möblierung größer als bei voll belegten Balkonen.
Der Einfluss der beiden Modellierungsmethoden auf die Wärmefreisetzungsrate kann Grafik 4 entnommen werden.

Vergleich Sommer- und Winterfall mit normaler Verglasung oder Pyrolysemodell
Temperaturen
Die Zündtemperatur ist diejenige Temperatur, bei der sich ausgasende Pyrolysegase spontan selbst entzünden. Damit dies geschieht, muss dieser Wert an der Materialoberfläche, etwa an einer Wand oder Fassade, tatsächlich erreicht werden. Wandtemperaturen reagieren träge auf Wärmeeinwirkung: Je nach Bauteil kann der Anstieg gegenüber den einwirkenden Temperaturen, den adiabaten Oberflächentemperaturen (AST), um 5 bis 30 Minuten verzögert sein.
In den Simulationen wurden bis zu einem Abstand von 12,8 m zum Brandobjekt AST-Werte ermittelt, die nach Literaturangaben ausreichen, um Kunststoffe (220 bis 346 °C) oder Holz (220 bis 320 °C) zu entzünden, sofern die Temperatur über einen längeren Zeitraum anliegt. Am nächstgelegenen Punkthaus, siehe quaderförmiges Gebäude im Süden des als Brandort bezeichneten Gebäudes (pinkes Gebäude) auf Bild 1, traten Maximalwerte von rund 200 bis 250 °C auf, auf Grafik 5 und 6 als „Hauswand“ bezeichnet. Die Temperaturverläufe flachten nach etwa 15 Minuten ab und erreichten ein Plateau. Eine thermische Beeinträchtigung von Bauteilen und Oberflächen ist damit wahrscheinlich. Eine unmittelbare Selbstentzündung ist jedoch nur unter längerer Exposition zu erwarten. Die in Grafik 5 und 6 dargestellten Temperaturwerte treten nur bei voll entwickelten Bränden auf. Bei Bränden mit z. B. nichtbrennbaren Baustoffen sind geringere Temperaturen zu erwarten.

Brandentwicklung ohne Windeinfluss (oben) und mit Windeinfluss (unten)

ERGEBNISZUSAMMENFASSUNG
Die Untersuchung hat gezeigt, dass insbesondere Möblierungsdichte, Brennbarkeit der Balkonbeläge und -bekleidungen, Größe und Position des Initialbrandes, Windeinfluss, das Verhalten der Verglasung sowie die Anordnung von nichtbrennbaren Wänden maßgeblich den Brandverlauf bestimmen.
Hohe Möblierungsdichte und große Initialbrände führen zu einer schnellen und intensiven Brandausbreitung.
Brennbare, fest eingebaute Elemente wie WPC-Dielen und Kunststoffverkleidungen stellen dabei einen erheblichen Anteil der Gesamtbrandlast dar. Werden die Bodenbeläge und Balkonbekleidungen in Baustoffklasse A ausgeführt, kann die Brandausbreitung insbesondere bei kleinen Initialbränden vollständig verhindert und bei großen Initialbränden deutlich reduziert werden.
Wind wirkt primär als Beschleuniger: Er treibt die Flammen entlang der Balkonfassade, erhöht bei geringer Möblierung die maximale Wärmefreisetzungsrate und begünstigt durch verstärkte Durchströmung des Gebäudes eine Brandweiterleitung ins Innere. Dort entstehende Brände können wiederum den Balkonbrand anfachen.
Eine über den Balkon hinausragende, nichtbrennbare Brandwand erwies sich in den geprüften Szenarien als wirksame Barriere gegen eine horizontale Brandweiterleitung, ohne die Entwicklung innerhalb des betroffenen Abschnitts zu beeinflussen.
Das Verhalten der Verglasung spielt eine zentrale Rolle: Versagt die Scheibe früh, strömen Pyrolysegase aus dem Innenraum auf den Balkon und verstärken die Außenbrandentwicklung erheblich. Bleibt die Verglasung lange intakt, reduziert sich diese Wechselwirkung deutlich.
Thermisch relevante Einwirkungen auf Nachbargebäude wurden in Form adiabater Oberflächentemperaturen von bis zu 250 °C ermittelt. Diese Werte können zu Materialschäden führen, liegen aber unterhalb der typischen Versagensgrenze von Glas. Ein Durchtritt von Feuer oder Rauch ins Innere des Punkthauses ist bei diesen Temperaturen nicht zu erwarten.
UNTERSUCHUNG VON BALKONKONSTRUKTIONEN
Insgesamt zeigt sich im Rahmen der derzeitigen architektonischen Entwicklung von Gebäuden, dass häufiger vor den Fassaden große, zusammenhängende Balkonkonstruktionen geplant werden. Bei der Neubauplanung kommt es zudem vermehrt zu „Leichtbauweisen“ von Balkonen, bei denen nicht wie früher, massive Stahlbetonkonstruktionen genutzt werden.
Die Entwicklung deutet eher in Richtung von Stahlrahmenkonstruktionen, die bei Sanierungen auch nachträglich (sog. Altane) an bestehende Gebäude angesetzt werden. Auch das dem Modell zugrunde liegende Gebäude verfügte über großflächige Balkonflächen, die durch die unterschiedlichen Bewohner unabhängig voneinander genutzt wurden. Die Balkonkonstruktionen waren vor der Fassade je Geschoss durchgehend angeordnet und bestanden aus Stahltragwerken mit Holzlattung, die Bodenbeläge bestanden aus WPCDielen (Wood-Plastic-Composite) und die Brüstungen und Trennwände zwischen den Balkonen (bzw. den unterschiedlichen Nutzungsbereichen) bestanden aus Kunststoffpaneelen (Acrylglas, PMMA) Bild 6).
Unabhängig von einer gerichtlichen Aufarbeitung des Originalbrandes deutet vieles darauf hin, dass das Gebäude gemäß der damals gültigen Bauordnung errichtet wurde. Balkone und Geländer waren seinerzeit selbst nicht geregelt (daher galt mindestens die Anforderung „normalentflammbar“). Zwischenzeitlich hat sich diesbezüglich eine Änderung ergeben: Seit 2018 wurden die Anforderungen an Balkone und Altane wie folgt verschärft (Quelle §28 (3) MBO): „Balkonbekleidungen, die über die erforderliche Umwehrungshöhe hinaus hochgeführt werden, und mehr als zwei Geschosse überbrückende Solaranlagen an Außenwänden müssen schwerentflammbar sein. Baustoffe, die schwerentflammbar sein müssen, dürfen nicht brennend abfallen oder abtropfen.“

Bezüglich brennbarer Baustoffe im Bereich von Brandwänden gibt es klare Regelungen (Quelle §30 (7) MBO): „Bauteile mit brennbaren Baustoffen dürfen nicht über Brandwände hinweggeführt werden. Bei Außenwandkonstruktionen, die eine seitliche Brandausbreitung begünstigen können, wie hinterlüftete Außenwandbekleidungen oder Doppelfassaden, sind gegen die Brandausbreitung im Bereich der Brandwände besondere Vorkehrungen zu treffen.“
Eine besondere Vorkehrung könnte in Anlehnung an die Simulationsergebnisse eine geschlossene Wand aus nichtbrennbaren Baustoffen oder ein entsprechender Abstand sein. Diesbezüglich ist eine weitere Forschung erforderlich, um Festlegungen zu treffen. Die Ergebnisse zeigen, dass bei zu geringen Abständen der Balkonbereiche ein Überlaufen des Brandabschnittes nachgewiesen werden konnte. Die bestimmungsgemäße Eingrenzung des Brandes durch eine Brandwand wird durch die Balkone und deren Konstruktionen aufgehoben.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Auch wenn ein Windeinfluss vorhanden war, zeigt das Modell deutlich, dass eine Brandausbreitung innerhalb der Simulation maßgeblich über die vorhandenen Balkonkonstruktionen stattgefunden hat und damit der tatsächlichen Situation des zugrunde liegenden Szenarios entspricht.
Balkonkonstruktionen, die lediglich aus nichtbrennbaren Stoffen bestehen, sowie über die Fassade hinausgeführte Wände können gemäß dem Modell einer derart massiven Brandausbreitung vorbeugen. Für mögliche, zukünftige Untersuchungen bleibt offen, ob ein Verbleiben des Brandes innerhalb eines Brandabschnittes bspw. lediglich mit einer nichtbrennbaren Abtrennungskonstruktion zwischen den Balkonen bereits eine hinreichende Maßnahme im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes gewesen wäre.
Auch wenn über die Fassade geführte Brandwände sicherlich keine wirtschaftliche Lösung darstellen würden, ist zu hinterfragen, wie die vorhandenen bauordnungsrechtlichen Vorgaben bei der vorliegenden oder ähnlichen Balkonkonstruktionen ausreichend umzusetzen sind. Bei derzeitigen Planungen ist jedenfalls nicht sicher davon auszugehen, dass Brände innerhalb von Brandabschnitten verbleiben.
Auch im Sinne des Nachbarschaftsschutzes können die Ergebnisse der durchgeführten Simulationen hinsichtlich der Bewertung der bauordnungsrechtlichen Vorgaben herangezogen werden. Die im Baurecht als räumliche Brandabschnitte aufgeführten (Mindest-)Abstände von 5 m würden im vorliegenden Fall keinen ausreichenden Schutz der umliegenden Gebäude darstellen. Bei diesem 5-m-Abstand hätte noch mit der Entzündung von Baustoffen am Nachbargebäude gerechnet werden müssen. Im Falle einer vergleichbaren, brennbaren Balkonkonstruktion sind brandschutztechnische Abstände im Sinne der Brandabschnittsbildung bauordnungsrechtlich zu überprüfen bzw. zu hinterfragen. Das Schutzziel des Nachbarschaftsschutzes kann bei vergleichbaren Ausführungen und Nutzerverhalten im Zweifel nicht in allen vorhandenen Fällen gewährleistet werden.
Hinsichtlich weiterer Auswertungen könnten zukünftig mögliche Maßnahmen (bspw. nichtbrennbare Balkonunterteilungen) beurteilt werden. All jene zukünftig möglichen Untersuchungen bedürfen dabei jedoch auch des Willens, bauordnungsrechtliche Vorschriften zu hinterfragen und ggf. zukünftig anzupassen. Dieses Ergebnis zeigt umso deutlicher, dass Brandsimulationen mehr als Planungshilfen im Sinne des vorbeugenden Brandschutzes sein können. Als Hilfsmittel bei der Präventionsanalyse sind sie ein wertvolles Werkzeug zur Prüfung von Varianten und Parametern und schließlich bei der Prüfung von vorgeschriebenen Maßnahmen des Baurechts selbst.
LITERATUR | QUELLENANGABEN
[ 1 ] National Institute of Standards and Technology (NIST), „Fire Calorimetry Database (FCD)“. 2025. [Online]. Verfügbar unter: https://www.nist.gov/el/fcd.
